Tod in Wacken (German Edition)
verfeinert mit Giftkräutern aus dem eigenen Anbau. Absolut tödlich.
Aber unpraktisch. Er bedauerte, die Pistole nicht behalten zu haben, an deren Effektivität das Gift nicht heranreichte. Andererseits hatte er natürlich beim Deponieren der Waffe in Werners Schuppen die einzigartige Gelegenheit gehabt, in Andreas Stoblings verhasstes Antlitz blicken und sich so auf die Suche nach ihm machen zu können. Diese Fratze! Die im Schein der Außenlampe gewagt hatte, einen Zettel mit Grüßen an Sweety zu hinterlassen!
Er legte die Spritze vorsichtig auf der Fensterbank ab. Das Problem war, dass er mit Stobling in Körperkontakt treten musste, um ihm das Gift verabreichen zu können. Und Stobling würde ihn zweifellos nicht freiwillig an sich heranlassen.
Wenn er denn überhaupt kam. Joost Beutler traten die Tränen in die Augen. Wenn Stobling die Polizei benachrichtigt hatte, war es aus. Sie würden ihn, den Auserwählten Gottes, verhaften und als Mörder verurteilen. Und er würde es ihnen nicht übel nehmen. Denn sie hatten nicht erfahren, was er erfahren hatte. Der Engel war nicht zu ihnen gekommen. Für die Polizei war er nur ein Spinner. Ein Fehlgeleiteter. Ein Irrer.
Sie wussten nicht, dass sie die Fehlgeleiteten waren. Gott hatte sich ihnen nicht offenbart. Er würde es hinnehmen, wenn sie kamen. Aber die Tatsache, dass Nummer drei weiterleben würde, diese Vorstellung war unerträglich.
Er begann zu würgen, heulte auf und schrie gegen die hölzernen Wände: »Du hast es nicht verdient zu leben, Andreas Stobling! Gott will dich tot sehen!«
Mit wenigen Schritten war er am CD -Player. Er riss Cornelias Ave-Maria- CD heraus und warf sie in hohem Bogen durch den Raum. Jetzt brauchte er die andere. Die verhasste. Denn sie brachte ihn in die richtige Stimmung. Stobling sollte zur Hölle fahren!
Bereits nach den ersten harten Klängen drückte er jedoch die Stopptaste. Die Tage und Nächte in Wacken hatten an ihm gezehrt. Nicht eine Sekunde länger konnte er diese kranken Töne ertragen.
Er brauchte eine Zeit lang, um sich zu beruhigen. Der Blick auf das Auenwasser und den Wald half dabei. Stobling würde mit Gottes Hilfe sterben.
Der Spaten! Draußen in dem kleinen Anbau lag der Spaten. Damit könnte er Stobling, sobald er das Haus betrat, niederschlagen. Und dann die Spritze setzen. Mit Glück würde er ihm vielleicht sogar gleich mit dem Spaten den Schädel spalten.
Er holte den Spaten und positionierte sich am Fenster neben der Tür. Es gab nur diese eine Tür. Er würde Stobling sehen, sobald er sich näherte. Und wenn der die Tür öffnete …
Zufrieden atmete er tief ein und aus. Beide Hände umfassten den Stiel, als er mit geschlossenen Augen seine Stirn auf das Ende des Spatens legte und zu beten begann.
»Herr! Bitte, sei bei mir und unterstütze mich, wie du es bisher getan hast. Und vergib mir meine Schuld, denn ich habe gesündigt. Ein Mensch musste sterben, weil ich nicht vorbereitet war. Wenn diese Schuld zu schwer wiegt, so will ich hinnehmen, was du mir zugedacht hast. Aber ich bitte dich, Herr, hilf deinem Diener und lass mich meine Schuld tilgen, indem ich den wahren Feind töte.« Er löste seinen Kopf von dem hölzernen Stiel und sah auf das flirrende Wasser. »Amen.«
* * *
Lyn hatte gerade die B5 verlassen, um sich auf die Landstraße Richtung Wewelsfleth einzufädeln, als ihr Handy klingelte. Sie dachte an Sophie, aber das Display zeigte eine fremde Handynummer.
»Harms?« Sie blinkte und fuhr auf die autofreie Landstraße. Sekunden später parkte sie den Beetle auf der rechten Seite in der Einfahrt eines Bauernhofes.
»Was sagen Sie da?« Sie stellte den Wagen ab und lauschte der aufgelösten Frau am anderen Ende.
»Okay, okay, Jule, so war doch Ihr Name? Versuchen Sie, sich zu beruhigen. Sie haben das genau richtig gemacht.« Lyn wühlte, das Handy zwischen Kopf und Schulter geklemmt, Block und Kuli aus der Handtasche. »Nennen Sie mir das Kennzeichen Ihres Autos, Marke und Farbe. Und die Straße in Burg war Paradiestal 7? … Ja. Aha, verstehe. Das kommt uns jetzt vielleicht zugute. … Danke. Und bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte sie schließlich. »Wir sind unterwegs.«
Mit fliegenden Fingern wählte Lyn Wilfried Knebels Nummer. »Wilfried? Mich hat gerade die Freundin von Andreas Stobling angerufen. Er ist von einem anonymen Anrufer aufgefordert worden, nach Burg in die Straße Paradiestal 7 zu kommen. Angeblich soll dieser Anrufer Cornelia Stobling in seiner Gewalt
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