Tod in Wacken (German Edition)
sagte Lyn.
»Oh, nee, nicht die alte Kerlmann!« Er klimperte mit den Wimpern. »Bitte, Lyn. Ich geb dir auch ein Mittagessen aus.«
»Also gut«, griente Lyn. »Ich übernehme sie. Wird interessant sein, zu hören, was für ein Schüler du warst.«
»Ein mustergültiger.« Er lächelte unschuldig. »Oder wäre ich sonst bei der Polizei gelandet? … Und weil ich so mustergültig bin, sage ich dir auch, dass sie nicht Kerlmann, sondern Karlmann heißt. Renate Karlmann.«
Lyn musterte ihn. »Kerlmann? Gehe ich recht in der Annahme, dass Frau Karlmann kein elfengleiches Wesen ist?«
»Miss Marple ist ein Nichts gegen dich, Kollegin.«
»Schön, schön, dann kannst du den Mister Stringer machen, Thilo«, kam der trockene Kommentar von Wilfried. »Du kannst dich bei unseren Leuten umhören, wer wann wo in den letzten Jahren Anzeigen in Sachen Festival erstattet hat, und dich bei den entsprechenden Personen in Wacken umhören.«
»Ay, Sir! Aber … ich … äh …«, Thilo stammelte, »ist mein Urlaub jetzt etwa doch gestrichen?«
»Nein, nein, schon gut, Thilo«, winkte Wilfried ab, »ich würde dir nur im allergrößten Notfall deinen Wacken-Urlaub versauen.« Er lächelte Thilo an und schob im gleichen Moment die Fotografien von Andreas Stobling zu ihm rüber. »Nur, falls du ihm dort zufällig begegnest.«
Thilo starrte auf die Fotos. Einen kurzen Moment. Dann schob er sie mit einer Geschwindigkeit von sich, als würde radioaktive Strahlung von ihnen ausgehen. »Die will ich nicht sehen!« Er warf Wilfried einen bösen Blick zu. »Das hast du doch mit Absicht gemacht, Chef! Ich wollte nicht wissen, wie der aussieht. Du weißt ganz genau, dass ich jetzt nicht nach Wacken gehen kann, ohne jeden Typen, der mir entgegenkommt, anzustarren. Vielen Dank auch!« Genervt warf er sich in seinem Stuhl zurück.
»Ich verzeihe dir, dass du mir Absicht unterstellst«, sagte Wilfried, sichtlich zufrieden, zwei suchende Augen mehr zu haben.
»Und was mach ich?« Die Frage kam von Jochen Berthold.
Lyn sah an Hendriks Grinsen, dass er genau das Gleiche dachte wie sie. Jochen Berthold »auf« Wacken wäre genauso unauffällig wie die Queen beim Handtaschenkauf im Aldi-Markt.
Wilfried schien ihre Meinung zu teilen. »Du … äh … unterstützt mich von hier aus. Zuallererst muss das Foto von Stobling vervielfältigt werden. Dann müssen jede Menge Telefonate geführt werden. Und wir müssen überlegen, ob wir mit der Beschreibung des schwarzen Mannes an die Presse gehen. Vielleicht hat ihn außer dieser Karla Reimers noch jemand gesehen. Manchmal sind die Printmedien ja auch zu etwas nütze.«
* * *
»KLINGEL-MÖRDER SCHLÄGT ERNEUT ZU!«
Mit zusammengepressten Lippen las er die Schlagzeile der Boulevardzeitung und den dazugehörigen Text.
»Stefan K. aus Elmshorn wurde Freitagabend mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe in seiner Wohnung hingerichtet, während seine Kinder in ihrem Zimmer schliefen«, lautete der Untertitel. Ein Foto von Stefan Kummwehl prangte neben dem Text auf der ersten Seite.
Immer wieder las er die Zeile. Stefan K. … Stefan K. …
Seine Finger zitterten, als er über das Foto des toten Mannes strich.
Nach einem Moment der Stille krallte er seine Finger in die Zeitung und zerknüllte das Bild.
»Stobling! Das wirst du büßen!«
* * *
Zufrieden verließ Lyn das Büro des Mega-Festival-Veranstalters. Mit dem Hinweis auf strengstes Stillschweigen hatte sie die Leitung in Wacken über den Sachverhalt informiert, soweit er relevant war. Bestürzung und Unglauben aufseiten der Veranstalter waren schnell der Bereitschaft zu jeglicher Hilfeleistung gewichen. Umgehend hatten Eintrittsbändchen für die Bereitschaftspolizei Eutin und die zusätzlich akquirierten Beamten aus Itzehoe bereitgelegen.
Lyn hatte auf Wilfrieds ausdrücklichen Wunsch – auf den Staatsanwalt Meier mit Sicherheit bestanden hatte – veranlasst, dass das Festival auf jeden Fall in seiner gewohnten Form stattfinden konnte und sollte. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand konnte man schließlich von einem Täter ausgehen, der gezielt nach einer Person suchte und nicht wahllos in die Menge schießen würde.
Gedankenverloren schloss Lyn den Dienstwagen auf. Eine Garantie für absolute Sicherheit gab es sowieso nie. Auf dem gigantischen Camping-Areal waren Kontrollen der Zelte und Fahrzeuge nicht möglich. Und bisher auch nie nötig gewesen, denn, wie sie gerade gehört hatte, wollten die Leute hier seit nunmehr
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