Tod in Wacken (German Edition)
später seine Lippen. »Wa–?«
»Ja, so rächt sich die Gier«, nickte seine Exlehrerin. »Das sind Hundekekse, Thilo. Aus pürierter Leber, Frischkäse und Haferflocken gebacken. Aki liebt sie.«
Lyn riss sich zusammen, bis sie beim Auto waren. Dann brach das Gelächter aus ihr heraus. »Dein Gesicht!« Eine Träne lief ihr über die Wangen, während sie den Wagen aufschloss und die Tür öffnete. »Ich hätte ein Foto machen sollen. Schade.«
»Ja, sehr witzig, Kollegin«, motzte Thilo und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, nachdem er noch einmal in den Rinnstein gespuckt hatte. »Bah! Ekelhaft.«
»Brauchst du ein Taschentuch?« Sie wühlte in ihrer Handtasche herum.
»Ja. Und steig endlich ein, damit wir hier wegkommen.«
»Hier.« Sie warf Thilo ein Päckchen Papiertücher zu, nahm selbst eine kleine Folienpackung zur Hand und zog ein Feuchttuch heraus.
»Oh, das ist noch besser«, sagte Thilo und hielt die Hand auf.
»Es ist das Letzte, und das brauche ich.« Lyn stellte ihren rechten Fuß auf den Fahrersitz und wischte ihre Zehen gründlich ab. »Aki hat mich abgeschleckt.«
»Boah, für deine Füße verschwendest du das schöne Feuchttuch? Meine Lippen wären wichtiger gewesen.«
Lyn stopfte das gebrauchte Tuch kommentarlos in die leere Packung zurück und stieg ein. Thilo sah sie verwirrt an, als sie im gleichem Moment ausstieß: »Jetzt hab ich’s: Gérard Depardieu!«
»Äh …?!«
»Frau Karlmann. Sie sieht aus wie Gérard Depardieu … Ich fahre jetzt zu diesem Joost Beutler. Willst du mitkommen?«
»Nee. Mich kannst du vorher zu meinem Wagen bringen. Da schreib ich doch lieber ein paar Berichte, als dass ich mir noch so einen Schwachsinn anhöre. Ghettopuster! Und ›Innenfeld‹ hat sie gesagt. Das heißt ›Infield‹.«
»Ist ja gut«, beruhigte ihn Lyn. »Dann kannst du dich vorher vielleicht noch mal bei den Veranstaltern über diesen Beutler schlaumachen. Vielleicht haben die noch Informationen über ihn.«
Thilos Miene war mehr als griesgrämig. »Ich werde das Alibi von der Kerlmann checken. Ich will wissen, ob die wirklich im Krankenhaus war.«
Lyn lachte auf. »Sie war jedenfalls not amused , als du sie im Rausgehen nach ihrem Alibi für die vergangene Woche gefragt hast. Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie in irgendeiner Weise …«
»Der trau ich alles zu.«
Lyn griente nur.
Die Ostlandstraße zweigte von der Hauptstraße ab. Es war eine Sackgasse, die am Ende direkt auf das Haus Beutlers zulief. Das Grundstück bot einen völlig unerwarteten Anblick. Lyn hatte sich ein Sechzigerjahre-Modell mit akkurat geschnittenem Rasen und unkrautfreien Rosenbeeten vorgestellt. Die Negativbeschreibung Joost Beutlers hatte sie sofort an einen spießbürgerlichen Pedanten denken lassen, aber nun war sie angenehm überrascht.
Ein von Buchsbäumchen gesäumter Kieselsteinweg führte durch einen von bunten Stauden wimmelnden Garten zu der grün gestrichenen Haustür einer Reetdachkate. Auf der Holzbank neben der Tür hatte sich eine schwarze Katze zusammengerollt. Statt einer Klingel gab es einen Türklopfer in Löwenkopfform. Lyn pochte zweimal gegen das Holz. Es dauerte keine zehn Sekunden, bis sich die Tür öffnete.
»Ja, bitte?«
»Ich … äh … sind Sie Joost Beutler?« Lyn starrte ihr Gegenüber an. Der attraktive Mittfünfziger mit dem durchtrainierten, nackten Oberkörper und der Jeansshorts wollte – genau wie das Haus – nicht zu dem Bild des religiösen Eiferers passen. Seine blauen Augen strahlten sie an. Nur der Borstenhaarschnitt mit den rasierten Seiten wirkte hart.
Er lächelte. »Der bin ich. Was kann ich für Sie tun?«
Lyn erwiderte sein Lächeln. »Harms. Kripo Itzehoe. Ich hätte ein paar Fragen an Sie, Herr Beutler. Darf ich hereinkommen?«
»Kripo.« Sein Blick wanderte über ihr Gesicht. »Können Sie sich ausweisen?«
»Selbstverständlich.« Lyn zückte ihren Ausweis.
Während er das Plastikkärtchen genau studierte, glitt Lyns Blick in das Innere des Hauses. Ein großes, schlicht gerahmtes Bild auf dem kleinen Flur zeigte ein biblisches Motiv. Eine offen stehende Tür gab den Blick in ein helles Wohnzimmer frei.
»Ich wollte nur sichergehen, dass Sie nicht zur Presse gehören«, sagte Joost Beutler und gab ihr den Ausweis zurück.
Lyn steckte ihn ein. »Welches Problem haben Sie mit der Presse?«
»Ich werde von ihnen belästigt. Jedenfalls in der Zeit des …«, sein Mund verzog sich geringschätzig, »Festivals.« Er deutete auf
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