Tod in Wacken (German Edition)
unser schwarzer Mann die kleine Tochter von Henning Wahlsen vor sich hatte, hatte Beutler einen Musikschüler bei sich. Als Wahlsen starb, war er auf einer Vernissage in Hamburg. Nur für den Tatzeitpunkt bei Kummwehl hat er keine Zeugen. Er sagt, da war er zu Hause.«
»Da wäre ich auch gern mal wieder«, brummte Wilfried, »also bei mir zu Hause.« Er wandte sich an den Kollegen Berthold: »Dein Job, Jochen. Du kannst Lyns Liste mit Beutlers Zeugenangaben morgen abchecken. Das können wir schließlich telefonisch erledigen.«
Er drehte sich zur Tür, denn die Kommissariatssekretärin steckte gerade ihren pflaumenblau getönten Haarschopf herein.
»Ich hatte Lurchi am Apparat«, berichtete sie aufgeregt, während sie ins Zimmer tänzelte. »Er sagt, sie haben Schwedtkes Wohnmobil. Ein Bauer hat es in einem Schuppen auf seinem Acker in Gribbohm entdeckt. Ein Schupo erwartet euch am Feldrand bei dieser Adresse.« Sie legte ihren Notizzettel vor Wilfried auf den Tisch. »Der führt euch dann hin.«
Wilfried und Volker Aschbach standen schon, bevor Birgit die Nachricht beendet hatte.
»Endlich!«, sagte der Hannoveraner.
Wilfried sah zu Hendrik. »Übernimm bitte den Pressesprecher. Wir brechen sofort auf.«
»Kann ich mitkommen?«, fragte Lyn und sprang ebenfalls auf.
Wilfried winkte sie hoch. »Natürlich. Ich weiß schon, worauf du hoffst.«
Die von Wilfried Knebel informierte Spurensicherung war zeitgleich mit den Beamten der Mordkommission am Wohnmobil eingetroffen – sehr zu Lyns Leidwesen, denn sie war umgehend von den Kollegen aus dem Fahrzeug gewiesen worden. Volker Aschbach ebenfalls. Nur Hauptkommissar Knebel teilte sich den beengten Platz in dem Gefährt mit den Beamten der Kriminaltechnik.
»Siehst du es, Wilfried?«, fragte Lyn – nicht zum ersten Mal –, während sie ihren Oberkörper von außen in die schmale Wohnmobiltür quetschte.
»Meine Güte, Frau Harms«, einer der Spurensicherer drehte sich entnervt zu ihr um, »was, verdammt noch mal, suchen Sie denn? Vielleicht kann ich ja helfen.«
Lyn hätte ihn am liebsten an seinem weißen Overall gepackt, aber sie lächelte ihn an. »Sie sind mich hier sofort los, Kollege Franzen, wenn Sie mir ein Tagebuch präsentieren können. Ich mache schließlich auch nur meine Arbeit. Und dieses Tagebuch wäre sehr hilfreich.«
»Ich glaube, ich habe es«, ertönte in diesem Moment Wilfrieds Stimme. »Zumindest steht Judith Schwedtkes Name darin.«
»Ein Glück«, murmelte Kollege Franzen und machte an der Tür Platz für den Chef der Mordkommission.
Wilfried gab Lyn ein Notizbuch in die behandschuhten Finger. Ein Sand- und Steinemotiv zierte das Cover, das Lyn umgehend aufschlug.
»Das ist es«, sagte sie, während sie zur Seite trat und hastig die Seiten überflog. Judith Schwedtke hatte das jeweilige Datum in die rechte obere Ecke der Seiten geschrieben. Mit derselben kleinkindlichen Schrift wie in ihrem Abschiedsbrief.
Lyn blätterte zum letzten Eintrag. Überrascht stellte sie fest, dass es kein Dezember-Datum war. Der letzte Eintrag war im August des Vorjahres geschrieben worden.
»Und?« Volker Aschbach und Wilfried waren links und rechts neben sie getreten und linsten auf die aufgeschlagene Seite.
Lyn sah nicht auf. »Judith hat das letzte Mal am Montag nach dem Festival-Wochenende reingeschrieben. Danach kommt nichts mehr.« Sich innerlich rüstend, blickte sie die Männer an. »Dann wollen wir mal schauen, was sie geschrieben hat. Ein bisschen graust mir davor. Man sieht schon am Papier, dass es feuchte Flecken hatte. Tränen.«
»Soll ich?« Volker Aschbach deutete auf das Tagebuch.
Lyn schüttelte den Kopf. Laut las sie vor, was Judith Schwedtke ihrem Tagebuch als Letztes anvertraut hatte.
Ich weiß es nicht! Und das ist das Schlimmste! Dass ich es nicht weiß! Wer? Wer von ihnen? Einer von ihnen hat mir was gegeben. Bestimmt. Mir ist immer noch so schlecht. Aber ich müsste das doch wissen! So was weiß man doch! Aber es tut so weh da. Und überall war das Zeug. An meinen Beinen und überall. Es war so eklig. Was soll ich nur tun? Was denn nur? Ich weiß doch nicht, wer! Aber da waren die Stimmen. Ich bin mir so sicher. Und der Ventilator hat gebrummt. Es war der Ventilator im Gartenhaus. Ich weiß es. Auch wenn ich in meinem Bett aufgewacht bin. Was soll ich denn jetzt nur tun?
Erschüttert blickte Lyn auf. »Das war’s. Mehr kommt nicht.« Sie blätterte noch einmal durch die nachfolgenden leeren Seiten.
»Zumindest
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