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Tod in Wacken (German Edition)

Tod in Wacken (German Edition)

Titel: Tod in Wacken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Denzau
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mästest, passiert eher das Gegenteil. Ich werde fett und noch unbeweglicher.«
    Carmen ließ ihr dröhnendes, dunkles Lachen hören. »Dann lieb ich dich trotzdem.« Nach einem langen zärtlichen Kuss für Andrea wandte sie sich Lyn zu. »Wo steckt denn eigentlich dein Dreibein heute?«
    »Hendrik muss noch arbeiten. Wir sind da an einem ziemlich aufregenden und arbeitsintensiven Fall dran.«
    »Worum geht’s? Erzähl mal«, forderte Carmen Lyn auf, während sie die Fleischgabel mit einer Serviette abwischte.
    »Kein Kommentar«, verweigerte Lyn die Aussage.
    »Sie erzählt ja nicht mal uns was«, klärte Sophie die Nachbarin auf, »ich finde das ja auch total –« Sie brach ab.
    Und Lyn hatte für Sophies Sprachlosigkeit durchaus Verständnis. Zu sehen, wie Carmen mit der Fleischgabel ihren anscheinend juckenden Rücken unter dem blauen Top bearbeitete, war mehr als unappetitlich.
    »Ich hab ja schon gehört, Lyn, dass du momentan ungern Erklärungen abgibst«, sagte Carmen mit einem Blick zu Charlotte, während die Kratzorgie an der linken hinteren Wade weiterging. »Die geilen Wacken-Karten …«, ließ sie den Satz unvollendet und höchst bedauernd ausklingen.
    Charlottes Blick wanderte nach diesen Worten von Carmens nackter, jetzt rot-striemiger Fußballer-Wade zu Lyn. Der Gleich-kotz-ich-Ausdruck in ihren Augen hatte zu Siehst-du?-Du-bist-eine-schlechte-Mutter gewechselt.
    »Ich weiß gar nicht, was ihr habt«, sagte Lyn betont fröhlich. »Nächstes Wochenende findet unser ›Wewels-Rock-City‹ statt. Da gibt es genug laute Musik und viele nette Menschen.«
    Charlotte warf ihr einen vernichtenden Blick zu und stand auf. »Danke für das tolle Essen, Carmen. Vielleicht hast du Lust, mich zu adoptieren?« Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern verschwand über den Friedhof.
    »Ich trink dann noch einen Rotwein«, murmelte Lyn in der Hoffnung, dass der Alkohol ihre vergehende gute Laune am gänzlichen Absterben hindern würde.
    Zwanzig Minuten später war es mit der Rest-Gute-Laune sowieso vorbei. Lyn hatte sich mit Judith Schwedtkes Tagebuch auf die Holzbank vor ihrem kleinen Häuschen verzogen, um die letzten Sonnenstrahlen noch einzufangen. Ihr graute vor der Lektüre. Davor, in die Gedankenwelt eines Menschen einzudringen, der diese Zeilen nicht für fremde Augen geschrieben hatte.
    Bevor Lyn die erste Seite aufschlug, wanderte ihr Blick gezielt über den Hahn auf der Kirchturmspitze in den Himmel. »Tut mir leid, Judith«, leistete sie in Gedanken Abbitte, »aber dein Tagebuch kann uns vielleicht helfen, weitere Morde zu verhindern.«
    Lyn las das Tagebuch Wort für Wort. Zweimal, um sicher zu sein, nichts überlesen zu haben. Sie hatte kaum einmal zu dem Notizblock und dem Kuli neben sich auf der Bank greifen müssen. Es gab wenig Verwertbares. Es handelte sich um ein typisches Mädchen-Tagebuch. Gespickt mit Hoffnungen, Wünschen und Träumen. Mit kleinen Gemeinheiten, einige Mitschülerinnen betreffend, und Lästereien gegen ihren Vater, wenn sie sich von ihm ungerecht oder nicht altersgemäß behandelt gefühlt hatte. Nichts wirklich Dramatisches. Die Zeilen hätten größtenteils auch von Charlotte geschrieben sein können.
    Die einzigen interessanten Eintragungen begannen zwei Wochen vor dem Festivalbeginn. Judith hatte geschrieben, dass sie sich auf den süßen Tommy freue, der wieder bei ihrem Vater die Gartenhaus-Unterkunft gebucht hatte. Vor allen Dingen aber hatte sie ihrer Freude Ausdruck verliehen, dass ihr Vater ihr erlaubt hatte, zum ersten Mal das Festival zu besuchen. Zwischen gezeichneten Herzchen und Schmetterlingen tummelten sich auf den Tagebuchseiten Namen von – Lyn gänzlich unbekannten – Musikgruppen.
    Lyn überlegte. Judith hatte Thomas Lug, Henning Wahlsen und Andreas Stobling seit mehreren Jahren gekannt. Als das Trio das erste Mal bei den Schwedtkes übernachtet hatte, war Judith zwölf oder dreizehn gewesen. Ein Kind noch, ein Mädchen, das von einem normalen Mann kaum als Frau wahrgenommen wurde. Das hatte im letzten Jahr anders ausgesehen. Mit sechzehn Jahren war Judiths körperliche Reife wahrscheinlich schon beachtet worden. Und sie schien auch nicht mit ihren Reizen gegeizt zu haben. Schließlich hatte sie das tiefdekolletierte Top erwähnt, mit dem sie »Tommy« heißmachen wollte.
    Und dann gab es noch eine andere Eintragung, die Lyn ins Grübeln brachte. Judith hatte einen Besuch bei ihrer Mutter geschildert. Durchweg positiv. Die beiden waren auf dem besten

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