Tod in Wacken (German Edition)
auf die Flurfliesen gesetzt.
»Hallo, Lottchen«, begrüßte Lyn ihre Älteste, als sie die Treppe herunterkam. Sie war darauf vorbereitet, dass der Gruß nicht erwidert werden würde, und sah sich nicht getäuscht. Ohne einen Blick schwebte Charlotte an ihr vorbei.
»Guck mal, Garfield«, lockte Sophie die Katze, »das ist Goliath.«
Argwöhnisch betrachtete die Katze den neuen Mitbewohner für einen Moment aus sicherer Entfernung. Dann hatte sie anscheinend die Entscheidung getroffen, dass es angebracht war, Ältestenrechte ad hoc zu demonstrieren. Mit zwei Sprüngen war sie bei der Schildkröte und wischte mit der Pfote kraftvoll über den Panzer. Goliath rotierte über den glatten Boden.
»Pfui, Krummbein!«, schalt Charlotte die Katze und griff schnell nach der Schildkröte, als die Katze erneut die Tatze hob.
»Na ja, süß ist was anderes, oder?«, sagte sie dann Richtung Schwester, während sie Goliath in beiden Händen hielt und ausgiebig betrachtete. »Aber cool ist sie. Hat so was Jurassic-Park-mäßiges im Light-Format.«
»Im Auto sind noch zwei Tüten mit Lebensmitteln«, sagte Lyn und ging in den kleinen Wirtschaftsraum, um die Rotweinvorräte zu überprüfen. »Die Spurensicherung hat gegoogelt, dass Landschildkröten im Sommer am besten mit Wald- und Wiesenpflanzen gefüttert werden. Aber es darf auch mal eine Möhre sein. Und die habe ich mitgebracht. Morgen könnt ihr dann Löwenzahn für sie pflücken. Hol bitte die Tüten rein, Krümel. Dann kann Goliath fressen, bevor wir zu Carmen gehen.«
»Frag sie mal, ob das Viech etwa in diesem Schuhkarton bleiben soll«, wandte Charlotte sich an ihre Schwester. »Das geht ja wohl gar nicht.«
Sophie blickte durch die Tür zu Lyn. »Ich soll dich fra–«
»Ich bin nicht taub, Krümel«, unterbrach Lyn ihre Tochter laut und deutlich. » Du solltest dir zu schade sein, um für deine Schwester das Sprachrohr zu machen. Und du, Charlotte«, Lyn kam zurück auf den Flur, »solltest nicht so inkonsequent sein und über einen Dritten mit mir kommunizieren. Wenn du meinst, mir etwas mitteilen zu müssen, mach es direkt oder lass es ganz. Und zu deiner Information: Im Schuppen steht noch der alte Kaninchenkäfig von Frau Bengisch. Den schaffst du jetzt auf den Rasen. Dann hat Goliath Platz, Licht und frische Luft. Und vielleicht mag sie auch unsere Gänseblümchen.«
»Du kannst mich mal«, fauchte Charlotte, raste die Treppe hinauf und knallte ihre Zimmertür hinter sich zu.
»Cool.« Sophie sah Lyn zufrieden an. »Sie spricht wieder mit dir.«
Lyn wischte den Staub von der Rotweinflasche. »Inhaltlich hätte ich allerdings noch Verbesserungsvorschläge.«
»Ist das nicht ein geiles Wetterchen, ihr Lieben?« Carmen Schnitzel hob ihre Arme gen Himmel, der ausnahmsweise einmal sommerblau und wolkenlos war, und strahlte ihre Gäste an.
Lyn strahlte zurück, krampfhaft bemüht, nicht auf Carmens Achsel-Flokatis zu starren, die unter dem blauen Spaghettiträger-Top hervorbuschelten.
Charlotte dagegen hielt nichts von dezentem Weggucken. »Boah, Carmen! Du musst mal deine Achseln rasieren. Das ist ja ein absolutes No-go.«
»Pah!«, winkte die unbeeindruckt ab, »ein grässlicher Trend. Ich steh auf Natur, Süße. Du solltest auch deinen natürlichen Körper lieben lernen.«
Charlottes Stirnfalten vertieften sich. »Liebst du Tsunamis und Herpesviren? Die sind auch natürlich.«
Lyn trank grinsend den letzten Schluck ihres Rotweins. Der Vergleich mit dem Tsunami war vielleicht einen Hauch übertrieben, an die Herpesviren reichte Carmens Unterarm-Urwald allerdings heran.
Carmen blieb gelassen. »Charlotte, du bist ein Sklave. Ein Sklave medialer Vorgaben klapperdürrer, unterbelichteter Castingshow-Models.«
»In der Sklavenfrage bin ich dann doch eher Südstaatler als Yankee«, parierte Charlotte.
Carmen trat lachend an den Grill und spießte die letzte Schinkenwurst mit der Fleischgabel auf. »Wer will noch?«
»Ich bin pappsatt«, winkte Lyn ab und wischte mit einem Baguettestück den Rest Pesto von ihrem Teller. »Lecker war’s. Und weil ich gleich noch was tun muss, bin ich dir umso dankbarer für die Einladung.«
»Papperlapapp«, winkte die kräftige Mittvierzigerin ab, »wir Mädels haben doch immer viel Spaß zusammen. Hier, Häschen!«, sie legte die Wurst auf den Teller ihrer Freundin Andrea, »schön essen, dann kommst du schneller wieder auf die Beine.« Sie pochte kurz gegen Andreas Gipsbein.
Die lachte auf. »Wenn du mich
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