Tod in Wolfsburg (German Edition)
bestimmt was anfangen.« Er sah hoch. »Ich zieh jetzt
eine Kopie über den Drucker und lösche anschließend alles, und niemand hat je
diese Daten in den Händen gehabt, klar?«
»Klar«, erwiderten Beran und Johanna gleichzeitig.
Der Text der SMS war
nicht gestochen scharf, aber dennoch gut zu entziffern. »Heh cool aber vorsicht
kleine! Rc«, las Johanna halblaut vor, musterte eine Weile die verschwommene
und nur mühsam zu erkennende Handynummer und reichte Beran die Seite.
»Das Checken der Mobilnummer geht nicht so ohne Weiteres«, bemerkte
Kiesel leise, während er sich erneut der Tastatur widmete. »Außerdem könnte es
sich um eine nicht oder aber falsch registrierte Nummer handeln, und da wird es
dann ganz abenteuerlich, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Nur allzu gut«, erwiderte Johanna. »Ich danke Ihnen erst mal. Wenn
Sie mal in Berlin sind …«
Kiesel stand auf. »Häufig – aber dann meist mit Google Earth.«
Johanna verkniff sich den Kommentar, dass sie das auf Dauer etwas
armselig fand, sondern gab ihm die Hand. Kiesel warf Beran ein breites Lächeln
zu und schlüpfte durch die Tür.
Wer war Rc? Mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mann, dachte Johanna
und stellte sich ans Fenster. Ein junger Mann, der Philippa »Kleine« nannte –
Freundinnen in dem Alter bezeichneten einander eher nicht so –, der ihr
Vorhaben kommentierte und sogar ein wenig in Sorge schien. Ein Freund? Ihr
Freund?
Auf dem Weg zum Auto notierte sie sich die Handynummer und rief
einen Techniker im BKA in Berlin
an. Eine Viertelstunde später teilte der ihr mit, was Kiesel bereits befürchtet
und ausgesprochen hatte: Rc besaß eine nicht registrierte Nummer. Auch der
Versuch, Rc mit einem Anruf von einem öffentlichen Telefon aus der Reserve zu
locken, schlug fehl – eine blecherne Mobilboxstimme forderte Johanna dazu auf,
Namen und eigene Nummer zu hinterlassen und auf einen Rückruf zu warten.
14
Rabea war in dem Pulk der Schülerinnen und Schüler, die dem
Ausgang entgegenströmten, leicht auszumachen. Sie trug den Kopf gerade, hatte
den Blick nach vorn gerichtet und ging genauso locker und entspannt wie in der
Turnhalle auf die Kommissarin zu. Als seien sie zum Kaffeeplausch miteinander
verabredet.
»Gehen wir ein Stück?«, fragte Johanna.
»Warum nicht?«
Sie schlugen den Waldweg ein, der in weitem Bogen um die Schule
herumführte. Rabea schulterte ihre Schultasche.
»Sie ermitteln noch einmal im Zusammenhang mit Karens Tod und dem
Sturz ihrer Großmutter vor einigen Wochen, nicht wahr?«, fragte sie, nachdem
Schwärme von Schülern mit Rädern an ihnen vorbeigebraust oder zur Bushaltestelle
abgebogen waren und sie unbehelligt nebeneinandergehen konnten.
Johanna hatte sich im Voraus keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie
sie versuchen wollte, das Mädchen aus der Reserve zu locken, und es war ihr
recht, dass Rabea die Initiative ergriff.
»Das ist richtig. Es gibt da noch ein paar offene Fragen, die ich
klären möchte, und da ihr vier – du, Philippa, Nelli und Lola – an dem Abend
gemeinsam mit Karen unterwegs wart, seid ihr natürlich meine ersten
Ansprechpartnerinnen«, erläuterte Johanna und steckte die Hände in die Taschen
ihrer Jacke.
»Verständlich.«
»Was war Karen für ein Mädchen?«
»Sie hat Anschluss gesucht.« Die Antwort kam schnell, ohne jegliches
Zögern.
»Bei euch, in eurer Gruppe?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich denke, sie war auf der Suche – wie die meisten in unserem
Alter.« Das klang abgeklärt, ein wenig zurechtgelegt.
»Und was hat sie bei euch gefunden?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen – so gut kannten wir uns noch
nicht.«
»Hat Karen Drogen genommen?«
»Dazu möchte ich nichts sagen.«
»Warum nicht?«
Rabea verlangsamte ihren Schritt. »Das steht mir nicht zu.«
»Nein? Karen ist tot. Wenn es hilft, den Fall aufzuklären?«
Rabea schüttelte den Kopf. »Karen ist an dem Abend an den falschen
Typen geraten. Wie wollen Sie den jetzt noch finden? Anhand irgendwelcher
Drogen, die sie eingeworfen hatte?«
»Warum nicht? Die Gerichtsmedizin fördert da heute Erstaunliches
zutage. Außerdem ist Karen vergewaltigt worden. Das hinterlässt Spuren, wie du
dir denken kannst.«
»Das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht«, wandte Rabea ein und
blieb kurz stehen. »Sie hatte sich jemanden angelacht – die beiden sind nach
draußen und schienen sich ziemlich einig, wie der Abend weitergehen sollte.«
»Du hast also beobachtet, wie sich die Geschichte
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