Tod in Wolfsburg (German Edition)
dir?«
Sandra räusperte sich. »Es ging um das Klauen bei Karstadt«, sagte
sie leise. Ihre Stimme zitterte. »Und die Aktionen hinterher … Eine Kommissarin
wollte wissen, ob ich nicht doch jemanden identifizieren könnte, den ich zuvor
im Kaufhaus beobachtet hatte.«
Der Mann starrte sie an. »Weiter. Was hast du gesagt?«
»Nichts habe ich gesagt … Ich meine, ich habe nur das wiederholt,
was ich schon vor einem Jahr erzählt hatte – dass mich Fremde überfallen haben,
die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und ich sie anfangs mit den Mädchen
verwechselt hätte.«
»Und von der Begegnung mit meinem Kumpel hast du nichts erwähnt?« Er
grinste kurz.
»Nein.«
Er rieb sich das Kinn und ließ sie nicht aus den Augen. »Warum
nicht? Es ist schon eine ganze Weile her – warum solltest du der Bullenfrau
nicht dein Herz ausschütten?«
»Das geht niemanden was an. Ich will nicht darüber reden.«
»Und wenn die Bullen dich erneut befragen und dich so richtig unter
Druck setzen, was machst du dann?«
»Ich bleibe bei meiner Aussage. Außerdem besteht kein Anlass, mich
unter Druck zu setzen.«
»Kluges Mädchen.« Er rückte näher. »Kann ich mich denn auch wirklich
darauf verlassen?«
Sie nickte schnell. »Ja. Ganz bestimmt.«
Er wiegte den Kopf bedächtig von einer Seite zur anderen. »Weißt du,
Menschen erzählen viel, wenn der Tag lang ist, und mein Kumpel will sehr genau
von mir wissen, ob ich dir und deinen Worten vertraue. Er verlässt sich auf
mich und mein Urteil, und es ist sehr wichtig, dass ich ihm nichts Falsches
erzähle. Kannst du das nachvollziehen – ein bisschen zumindest?«
Sie schluckte. »Ja. Natürlich.« Lass mich hier raus, dachte sie und
fing an zu zittern.
»Hm – es ist halt so: Ich persönlich würde dir jetzt glatt glauben
und dich nach unserer Unterredung einfach nach Hause gehen lassen, aber mein
Kumpel ist ein bisschen misstrauisch, und er gab mir den Tipp, dir, wie sagte
er doch gleich: ja, nachhaltig klarzumachen, dass du dich mit den falschen
Leuten anlegst, wenn du Scheiße erzählst. Begreifst du ungefähr, was ich sagen
will?« Er betrachtete sie aufmerksam, als würde ihn ihre Meinung tatsächlich
interessieren.
»Du kannst dich auf mich verlassen.« Ihre Stimme klang hell und
kindlich.
»Ja, ich denke, das kann ich wirklich. Aber wie wäre es denn, wenn
du dieses Versprechen untermauern würdest? Mit einem kleinen Vertrauensbeweis.«
Er rückte noch ein Stück näher. »Das ist einfach überzeugender.«
Ihr Zittern verstärkte sich. »Bitte, lass mich gehen – ich sage
nichts, wirklich nicht … Du kannst dich wirklich auf mich verlassen.«
Er richtete sich lächelnd auf und begann seine Hose aufzuknöpfen.
»Ach, Schätzchen, deine Worte klingen gut, aber was tut man nicht alles für
seinen Kumpel.«
Er fing an zu lachen. Leise. Herzlich. Dann brach er abrupt ab. Sie
sah, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Schneller als zuvor. Er war
aufgeregt und voller Vorfreude, und zum ersten Mal dachte sie darüber nach, ob
sie irgendeine Chance gegen ihn hatte – gefesselt, geschwächt und voller Angst
–, und auch zum ersten Mal fragte sie sich, worum es hier überhaupt ging.
Es musste enorm wichtig sein, dass sie die Mädchen und den Typen
nicht identifizierte, wenn sie nach über einem Jahr erneut derart unter Druck
gesetzt wurde. Sie würde nie vergessen, wie er aussah. Sie kannte sogar seinen
Namen, seinen Vornamen. Philippa hatte ihn angefeuert, als er über sie
hergefallen war, und ihn mit seinem Namen angesprochen. Welche Chance hatte
sie, je wieder aus diesem Teufelskreis herauszukommen? Würde in drei Monaten
wieder jemand auf sie warten, um sie zu bedrohen? Oder in einem Jahr? Ihr Herz
wummerte gegen ihre Rippen. Wie viel Angst konnte ein einzelner Mensch
ertragen, ohne durchzudrehen? Lieber sterbe ich, als dass es so weitergeht,
dachte sie. Ein ungewöhnlich klarer und ruhiger Gedanke, zum ersten Mal in
dieser Situation. Sie blickte zu ihm auf und stahl sich von irgendwoher ein
Lächeln – ohne nachzudenken.
»Mach mir die Fesseln ab«, sagte sie mit einer Stimme, die sie kaum
erkannte.
»Warum sollte ich?«
»Damit ich besser Hand anlegen kann.«
Er fixierte sie. Und fing an zu grinsen. »Dein Mund reicht mir
eigentlich. Und deine Möse.«
»Du weißt nicht, was du verpasst.«
Er grinste noch breiter. »Okay, Kleine. Wenn du so wild auf meinen
Schwanz bist, will ich dir den Wunsch nicht abschlagen …« Er ging langsam in
die Hocke, sah
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