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Tod in Wolfsburg (German Edition)

Tod in Wolfsburg (German Edition)

Titel: Tod in Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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und erneut überfallen zu werden, um dann zurückzukehren, ohne zu
wissen, ob der richtige Zeitpunkt bereits gekommen war oder ob es ihn überhaupt
je geben würde? Und wie würde es dann weitergehen? So tun, als gäbe es die
Chance auf ein normales Leben ohne die Angst als ständige Begleiterin?
Andererseits: Gab es überhaupt eine andere Möglichkeit als die Flucht?
    Rico hatte seinen Kumpel geschickt, um ihr erneut eindringlich
klarzumachen, dass sie den Mund zu halten hatte. Das hätte er wohl kaum getan,
wenn es nicht wichtig gewesen wäre. Die Warnung war zwar angekommen, dafür
lebte jedoch der Kumpel inzwischen nicht mehr. Damit hatte niemand gerechnet.
Was würde wohl als Nächstes passieren?
    An diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen, geriet Sandra in
Panik. So vergleichsweise gelassen und kühl kalkulierend sie noch knapp zwei
Stunden zuvor den Wagen mit dem toten Typen nach Braunschweig-Kanzlerfeld
gefahren hatte, um ihn dann in der Paracelsusstraße einfach am Straßenrand
abzustellen und sich zu Fuß auf den schätzungsweise fünf Kilometer langen
Heimweg zu machen, so heftig reagierte sie, als sie sich ausmalte, welche
Scheußlichkeiten das Leben nun für sie bereithielt. Aber vielleicht hatte sie
auch nur unter Schock gestanden und ohne großartig nachzudenken das
Nächstliegende getan, und jetzt, in dem Moment, in dem sie zur Ruhe kam und
ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf ließ, brach alles mit voller Wucht über
sie herein.
    Er wird hier auftauchen, dachte Sandra, natürlich wird er das. Es
war kein Problem für den anderen gewesen, ihre Adresse ausfindig zu machen,
auch wenn sie nicht im Telefonbuch stand, und wahrscheinlich wusste Rico
ohnehin schon längst, wo sie wohnte. Vielleicht wartete er sogar seit Stunden
auf eine Rückmeldung und würde demnächst seinerseits versuchen, den Kumpel zu
erreichen. Wenn ihm das nicht gelang, würde er misstrauisch werden und sich
schließlich auf den Weg machen … Das Handy, dachte Sandra, ich hätte ihm das
Handy abnehmen sollen. Was bin ich für eine Idiotin! Zumindest daran hätte ich
denken können. Ich hätte eine SMS schreiben und Zeit gewinnen können … Aber Zeit wofür?
    Sie fing an zu zittern, ihre Zähne klapperten. Mit weichen Knien
stolperte sie im Dunkeln durch ihre kleine Wohnung. Sie wagte es nicht, Licht
anzumachen. Schließlich stellte sie sich ans Küchenfenster. Von hier konnte sie
die Straße und den Weg zum Hauseingang überblicken. Niemand bewegte sich in
Richtung des Hauses, ohne von ihr gesehen zu werden, und die Kellertür an der
straßenabgewandten Hausseite war stets verschlossen. Ihre Atmung beruhigte
sich, während sie aufmerksam in die Nacht hinausspähte. Sie knipste die kleine
Leuchte über dem Herd an, nachdem sie die Jalousie heruntergelassen hatte, und
setzte Teewasser auf.
    Ich habe einen Menschen getötet, dachte sie plötzlich. In Notwehr.
Es blieb mir gar nichts anderes übrig. Ein warmes Gefühl der Befriedigung
durchströmte sie. Sie erschrak nur für einen Moment darüber. Es ist okay, sich
zu wehren. Das habe ich gelernt. Ich würde es wieder tun – in einer ähnlichen
Situation. Wer wissentlich und willentlich Gewalt anwendet und Todesangst
auslöst, durfte sich nicht wundern, wenn sein Opfer sich plötzlich so zur Wehr
setzte, dass das eigene Leben in Gefahr geriet. Der Typ von heute Abend würde sich
nie wieder über irgendetwas wundern. Im Gegensatz zu Rico und seinen Mädchen.
Fragte sich nur, worüber genau. Sandra stutzte. Keiner von denen traute ihr zu,
sich gegen einen bulligen Schlägertypen zu wehren, geschweige denn, ihn dabei
derart zu verletzen, dass er an seinen Blessuren starb, um dann anschließend
nicht nur die Ruhe zu bewahren, sondern sogar so viel Umsicht zu beweisen, den
Wagen mit der Leiche wegzufahren … Sandra atmete ruhig und konzentriert und
fühlte sich auf einmal hellwach. Nein, keiner würde ihr so was zutrauen, auch
nicht diese schrullige Kommissarin mit den aufdringlichen blauen Augen.
Vielleicht war das die Lösung. Dazu müsste sie allerdings die Nerven behalten.
    Der heiße Tee tat ihr gut. Sie setzte sich ans Fenster, nahm die Tasse
zwischen beide Hände und pustete, bevor sie in langsamen Schlucken trank und
den Weg zu ihrem Haus im Auge behielt.

25
    Sie bog rechts ab, ohne lange darüber nachzudenken. Es war kaum
ein Umweg, am Krähenhoop vorbeizufahren und persönlich nachzuprüfen, ob die
Kollegen vielleicht inzwischen doch fündig geworden waren, und sich bei

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