Tod in Wolfsburg (German Edition)
dazu, Philippa?«
»Wovon reden Sie eigentlich?«, hakte Rabea erneut nach. Ihre Stimme
hatte auf einmal etwas Drängendes.
Johanna sah sie nicht mal an, sondern konzentrierte sich auf
Philippa.
»Du bist die Hauptakteurin, wenn es darum geht, Mädchen unter Druck
zu setzen oder sogar Großmütter zu erschrecken. Gewiss, die anderen hauen auch
mal drauf oder halten fest, aber du bist wirklich mit ganzem Herzen dabei –
wenn man in dem Zusammenhang überhaupt noch von Herz sprechen kann.«
»Sie haben keinerlei Beweise für Ihr Gerede!«, fuhr Rabea wieder
dazwischen. »Sonst würden Sie hier nicht so lange herumquatschen und uns
Vorträge halten bis zum Abwinken!«
»Die Beweise sind längst unterwegs! Und du hast inzwischen die Hosen
ganz schön voll, sonst würdest du dich nicht plötzlich so engagiert ins
Gespräch einbringen!«
Johanna beugte sich über den Tisch und starrte Philippa an. »Wie
genau ist es abgelaufen, wenn sich ein Mädchen nicht gefügt oder irgendwie
Ärger gemacht hat? Gab es erst die Prügel, gefolgt von einer Vergewaltigung,
und zu guter Letzt habt ihr eurem Opfer das Tattoo der Krähen verpasst – wie
ein Brandzeichen, damit sie euch ja lebhaft in Erinnerung behalten? Oder gab es
gleich das Tattoo, dann die Prügel und die Vergewaltigung? Oder spielt die
Reihenfolge unter Umständen gar keine Rolle? Ich bin mir übrigens ziemlich
sicher, dass ihr Betty dieses Motiv auch verpasst habt.«
Philippa öffnete den Mund, aber Johanna schnitt ihr das Wort mit
einer heftigen Handbewegung ab.
»Wir werden jetzt erst mal von euch allen die Fingerabdrücke nehmen.
Ich gehe jede Wette ein, dass sich bei Karen Übereinstimmungen finden.«
»Na und? Wir waren an dem Abend zusammen unterwegs, das haben wir
nie bestritten«, wandte Rabea ein. »Außerdem …«
»Ihr habt ihr ein Tattoo auf den nackten Oberschenkel gemacht.
Höchstwahrscheinlich mit Spucke. Das hat Spuren hinterlassen. Die kann man
analysieren.«
»Karen ist längst beerdigt. Und selbst wenn …«
»Aber ohne die Proben, die der Gerichtsmediziner zu ebensolchen
Analyse-und Vergleichszwecken gesichert hat.« Johanna zeigte ihr wölfisches
Grinsen und hoffte inständig, dass die Mädchen es ihr abnahmen, denn sie war
ganz und gar nicht sicher, ob Kasimir derart vorsorglich gearbeitet hatte. Sie
traute es ihm zu, aber sie wusste es nicht.
Rabea zog eine Schulter hoch, aber lässig wirkte das nicht. Philippa
sah die Freundin von der Seite an – beobachtend, fragend und, tja, skeptisch
vielleicht? Oder eher irritiert? Vielleicht sogar lauernd? Johanna wartete
einen Moment. Und noch einen. Dann hob sie die Hand und blickte über die
Schulter zu Beran.
»Pause. Sorgen Sie bitte dafür, dass die Mädchen isoliert werden und
ein Frühstück bekommen. Wir machen nachher weiter.«
Sie hatte sich spontan entschieden, allein nach Vorsfelde zu fahren.
Es würde ihr guttun, für eine Weile dem angespannten Trubel zu entkommen.
Zwischenzeitlich hatte sie das Gefühl, dass es in ihrem Kopf eng wurde und ihr
Nervenkostüm an einzelnen Stellen zu reißen begann. Aber es war noch lange
nicht vorbei. Bevor sie an der Schule ausstieg, nahm sie zwei
Kopfschmerztabletten und setzte sich noch einmal mit Reinders in Verbindung.
»Ich wollte gerade eine Nachricht für Sie tippen«, sagte der
Kommissar. »Ein Handy hat sich nicht gefunden – weder im Ganzen noch in Einzelteilen.«
Johanna runzelte die Stirn. Das konnte alles Mögliche bedeuten und
sich ebenso als wichtiger Aspekt wie auch als völlig nebensächlich
herausstellen. Aber klären ließ sich die Angelegenheit im Moment nicht, also
stellte sie die Überlegungen fürs Erste zurück.
»Na gut, das wird uns vielleicht später noch mal beschäftigen. Was
anderes: Schicken Sie noch mal jemanden zum Haus der Flints«, sagte sie. »Das
ist ein Reihenhaus mit Garten. Halten Sie nach frischen Spuren Ausschau.«
»Wie kommen Sie da jetzt drauf?«
»Nur so eine Idee.«
Der Hausmeister der Moorkämpeschule hieß Walter Wiesner und befand
sich in einem winzigen Raum neben der Turnhalle, den als Büro zu bezeichnen
Johanna nicht gewagt hätte. Er hatte eher das Format eines Abstellraums. Sie
lugte durch die halb geöffnete Tür. Immerhin gab es einen Schreibtisch und
einen grauen Blechschrank mit zerbeulten Türen sowie ein Regal, auf dem
zwischen altersschwachen Sportschuhen, zerfetzten Springseilen und einigen
platten Bällen diverses Werkzeug untergebracht war. Wiesner trug einen
dunkelblauen
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