Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
gehalten hatten, aufs Meer hinaus. Dort, wo die Sonne sich bereits den Weg durch die Wolkenfetzen bahnte, zauberte sie faszinierende Lichtspiele an den Himmel. Petersen lenkte den Dienstwagen schweigend über die gerade verlaufende Landstraße, während Wiebke den Ausblick genoss. Man nannte Nordstrand das grüne Herz des Wattenmeeres, und die saftigen Wiesen, auf denen Kühe weideten, bestätigten diesen Begriff.
Wiebkes Gedanken wandten sich wieder Tiedje zu. Ihn an der Seite einer anderen Frau zu wissen, bereitete ihr Magenkrämpfe. Mit einer Mischung aus blinder Wut und Enttäuschung ballte sie eine Faust.
»Allens kloar?«, fragte Petersen, als er ihr einen raschen Seitenblick zuwarf. Ihm war nicht entgangen, dass Wiebke etwas zu beschäftigen schien.
Sie nickte und erwiderte sein aufmunterndes Lächeln. »Bisschen Stress im Privatleben«, murmelte sie.
»Willst du drüber schnacken?«
Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Sei nicht böse, muss erst mal selber ’nen klaren Kopf bekommen. Aber danke trotzdem.«
»Sicher, immer gern«, erwiderte er grinsend. »Sollst nur wissen, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe.«
»Das ist schön.«
Sie hatten den Parkplatz des Strandbistros erreicht. Nur ein einziges Wohnmobil parkte hier. Wahrscheinlich hatten die Touristen hier draußen in der Einsamkeit genächtigt. Petersen lenkte den Dienstwagen so nah wie möglich an das Möwennest heran, dann schaltete er den Motor ab. Sekundenlang herrschte Stille. Nur das Pfeifen des Windes war zu hören.
»Na denn man los.« Wiebke stieß die Beifahrertür auf und stemmte sich in den Wind. Die frische Meeresluft sog sie tief in die Lungen ein.
Seite an Seite schritten sie auf den Flachdachbau zu. Hinter der Küche parkte ein rostiger Lieferwagen. Bente Harmsen schien anwesend zu sein.
Das Geschlossen -Schild am Eingang ignorierten sie und betraten den Innenraum des Bistros. Die Stühle standen verkehrt herum auf den Tischen. Niemand war zu sehen. Aus der Küche drang das Klappern von Geschirr. Im Aschenbecher auf dem Tresen glomm eine Zigarette vor sich hin, die sich bereits größtenteils zu einer grauen Aschestange verwandelt hatte. Aus einem Radio hinter der Theke dudelte Musik.
»Wir haben geschlossen«, rief Bente Harmsen aus der Küche. »Sie sind zu früh.«
»Kein Problem«, rief Petersen und zuckte mit einem Seitenblick auf Wiebke die Schultern.
Bente Harmsen tauchte in der Tür unter dem Schild Kombüse auf und wischte sich die Finger an einem karierten Geschirrtuch ab. »Moin. Sie schon wieder?«, fragte sie, als sie die beiden Polizisten erkannte.
»Wir haben noch ein paar Fragen an Sie«, erklärte Wiebke und lächelte freundlich.
»Hm.«
Bente Harmsen trug die Haare heute offen. Das blonde Haar umspielte locker ihre Schultern. Auch ein dezentes Make-up hatte sie aufgelegt. Überhaupt wirkte sie um Jahre jünger und erholter. Unwillkürlich fragte sich Wiebke, ob man den Tod eines Geliebten schneller verkraftete als den des eigenen Ehemannes. Aber Bente Harmsen hatte gute Gründe gehabt, sich von ihrem Geliebten zu trennen: Er war ein möglicherweise gefährlicher Stalker gewesen.
Bente Harmsen rutschte auf den Barhocker, griff nach der qualmenden Zigarette, klopfte die Asche ab und nahm einen Zug. »Dann schießen Sie mal los.« Sie wirkte entspannt.
»Nach derzeitigem Stand unserer Ermittlungen gibt es keinen Klaus Georgs.« Petersen war sichtlich gespannt auf Bente Harmsens Reaktion.
»Wie meinen Sie das?« Ihre Augen wurden groß.
»Wir gehen davon aus, dass er sich diesen Namen zugelegt hat und unter falscher Identität in Husum gemeldet war. Nun sind wir natürlich auf der Suche nach seinem wahren Namen. Haben Sie eine Idee, wer Klaus Georgs im wahren Leben gewesen sein könnte?«
Es dauerte einen Augenblick, bis Bente Harmsen die Nachricht verdaut hatte. Sie starrte die Polizisten ungläubig an und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich«, murmelte sie. »Ich habe seinen Ausweis gesehen.«
»Sie lassen sich von Ihrem Geliebten den Ausweis zeigen?«, hakte Wiebke nach.
Nun lächelte Bente Harmsen, und sie wirkte wehmütig. Georgs schien ihr jetzt doch zu fehlen. »Es war nur Blödsinn, ein Jux. Kennt man doch: Irgendwann kommt man auf seine eigene Vergangenheit zu sprechen. Man kramt den Ausweis oder Führerschein heraus, um ein absolut peinliches Foto zu zeigen, für das man sich schon unmittelbar, nachdem es entstanden ist, geschämt hat. Wir haben uns über früher
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