Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Ordnung. Das Armaturenbrett glänzte, als hätte es seine Besitzerin mit einer Speckschwarte eingerieben. Über die sicherlich längst verschlissenen Sitzpolster hatte sie Bezüge mit modernem Muster gezogen. Das Radio im Armaturenbrett war älteren Datums; es wies noch altmodische Drehknöpfe und einen Kassettenschacht auf.
Petersen beugte sich zur Beifahrerseite und öffnete die kleine Klappe des Handschuhfachs. Neben dem Wartungsheft fand er einige Musikkassetten, einen blauen Eiskratzer, einige Visitenkarten von Harmsens Ferienwohnungen und einen Kamm.
»Bingo«, sagte Petersen und griff danach. Mit der freien Hand zog er aus der Innentasche seiner Windjacke einen Klarsichtbeutel hervor, in den er den Kamm fallen ließ. Höchste Zeit, zu Wiebke und zu Bente Harmsen zurückzukehren.
»Damit kannst du nichts anfangen«, stellte Wiebke später unbeeindruckt fest, als sie wieder im Dienstwagen saßen und er ihr den Kamm präsentierte. »Das Ding gilt vor Gericht nicht als Beweis, weil wir keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluss in der Tasche haben.«
»Entspann dich, Mädchen. Ich will doch gar kein Beweismittel. Piets Trupp hat in der Wohnung DNA-Material gefunden. Möglicherweise können es seine Jungs mit dem hier abgleichen. Aber was, wenn auch andere Damen in seinem Laken gelegen haben?«
»Keine dumme Idee, wenn auch nicht ganz legal.« Wiebke schürzte die Lippen. »Du hattest kein Recht, den Wagen zu durchsuchen.«
»Man merkt, dass deine Zeit auf der Polizeischule noch nicht so lange zurückliegt«, grinste Petersen. »Den Kamm könnte sie auch auf dem Weg vom Auto zum Bistro aus der Tasche verloren haben, und ich habe ihn rein zufällig gefunden.«
»Du schaffst mich, Jan.«
»Danke für die Blumen.« Er startete den Motor und lenkte den Dienstwagen in Richtung Husum. »Hast du das Foto von ihr?«, fragte er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
»Natürlich. Und frag bitte nicht nach dem Grund, den ich ihr erzählt habe, warum ich sie fotografieren musste.«
»Heißt das, du hast gelogen?« Petersen grinste. »Lernt man das denn in der Polizeischule?«
Wiebke ging nicht auf seine Frage ein. »Ich habe das Blaue vom Himmel gelogen.« Sie lächelte. »Aber das Foto habe ich«, entgegnete sie stolz und griff in die Tasche, um ihr Handy herauszuziehen. Schnell hatte sie im Bistro eine Aufnahme von Bente Harmsen gemacht. Die Frau hatte keine weiteren Fragen zum Verwendungszweck gestellt.
»Ich bin stolz auf dich, Frau Kollegin. Geht doch.«
»Und was machen wir nun mit dem angefangenen Tag?«
»Wir sollten dem Hotel einen Besuch abstatten und dort fragen, ob Georgs sich ausschließlich mit Bente Harmsen getroffen hat. Unter Umständen haben wir es hier mit einem professionellen Heiratsschwindler zu tun.«
»Solange wir nicht seine wahre Identität kennen, stochern wir im Nebel herum«, maulte Wiebke. »Es sei denn, dass sich eine der Frauen für sein schäbiges Verhalten gerächt hat.«
»Oder einer der gehörnten Ehemänner – wenn es sie denn gab, von Ubbo Harmsen einmal abgesehen.«
»Und was, wenn Bente Harmsen tatsächlich die Frau seiner Träume war, die einzige Frau, wohlgemerkt?«
»Dann stehen wir wieder am Anfang.«
Der Wagen rollte durch Schobüll. Die ersten Touristen waren mit Fahrrädern unterwegs, um einen Tag am Wattenmeer zwischen Husum und Nordstrand zu verbringen. Die Sonne tauchte die Landschaft in ein anheimelndes Licht. Es war Flut, und rechter Hand glitzerte ab und zu das Meer zwischen den Häusern hindurch.
»Wir kennen den Mann nicht«, brach Petersen das Schweigen im Auto, als sie den Ortseingang von Husum erreichten. »Weder seinen wahren Namen noch das, was er beruflich getan hat. Die Tatsache, dass er mit einer Dienstwaffe ermordet wurde, die in zahlreichen deutschen Behörden eingesetzt wird, könnte ein Indiz darauf sein, dass sein Mörder oder seine Mörderin ein Staatsdiener ist.«
Es war frustrierend. Sie vergeudeten Zeit und Mühe auf Recherchen. Sein Name war falsch, diese Identität hatte nichts mit dem zu tun, was er in seinem wahren Leben getan hatte.
»Und nun?« Wiebke richtete sich im Beifahrersitz auf.
»Zeit für ’nen Tee.« Petersen blickte auf die Uhr im Armaturenbrett. »Elf Uhr gleich.« Er grinste Wiebke an. »Elführtje«, murmelte er.
»Du willst jetzt Teepause machen?«
»Tun das nicht alle Friesen, die was auf sich halten?«
»Petersen, du schaffst mich.«
»Bin ja auch ein paar Jahre älter als du. Also,
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