Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
Notaufnahme nicht behandelt werden. Wie konnte es sein, dass er mit diesem Baron einfach nicht fertig wurde? Der Mann sah überhaupt nicht gefährlich aus, war aber offenbar aus einer anderen Welt. Einfach nicht totzukriegen. Zauberte einen Degen aus seinem Gehstock. Ließ sich niederschlagen, um ihm dann mit seinem eigenen Messer an die Gurgel zu gehen. Plötzlich sprach er auch noch perfekt Italienisch, mit einem florentinischen Dialekt, das war doch nicht normal. Der Schock war so groß gewesen, dass er ihm sogar die Frage nach der Drag Queen beantwortet hatte. Mit der Antwort hatte der Baron nicht gerechnet, damit hatte er ihn überrascht – der Mann war eben doch nicht allwissend. Aber eines hatte Marco im Leben gelernt, schon früher auf der Straße, später im Rotlichtmilieu und erst recht in seiner Zeit im Gefängnis: Es gab Menschen, denen man besser aus dem Weg ging. Zwar sah der Baron nicht so aus, aber er war so ein Mensch. Marco fehlte der Mut für eine weitere Konfrontation.
Valerie Trafoier stand unter der Dusche und seifte sich ein. Das bereitete ihr Vergnügen. Der Professor hatte recht: Sie hatte einen perfekten Körper. Ihr fielen keine Verbesserungen ein. Es hatte auch noch keinen Mann gegeben, der ein Wort der Kritik verloren hätte. Meistens waren sie ohnehin sprachlos, konnten nur noch stöhnen und schwitzen, was sie irgendwie ekelhaft fand. Bei vielen Männern war es besser, man machte das Licht aus. Bei Falko Puttmenger hätte man es anlassen können, aber der war aus unerfindlichen Gründen seiner Frau treu – oder trieb es mit seinen Patientinnen. Beim Baron hätte sie es auf einen Versuch ankommen lassen. Aber eigentlich beschäftigte sie eine andere Frage, selbst hier unter der Dusche. Wo könnte der Safeschlüssel passen, den ihr der Baron gezeigt hatte? Sie hatte in der Vinothek das einzige Weinregal zerlegt, das nach Nikis Tod an seinem Platz geblieben war, in der vagen Hoffnung, dahinter einen versteckten Wandsafe zu finden – Fehlanzeige. Von einem Bankschließfach war ihr nichts bekannt. Sonst fiel ihr keine Möglichkeit ein. Es sah ganz so aus, als ob Niki das Geheimnis des Schlüssels mit ins Grab genommen hatte. Wie schade.
Ernst Steixner bekam auf seinem Zimmer in der Bozner Klinik den Blutdruck gemessen. Noch eine Nacht, dann durfte er nach Hause. Mittlerweile war er auch so weit, er freute sich sogar darauf. Die Tage und Nächte in der Klinik hatten ihm Gelegenheit gegeben, über alles nachzudenken, Dinge zu verarbeiten und sich wieder nach vorne zu orientieren. Zwar wusste er immer noch nicht, ob er sich selbst zur Anzeige bringen sollte, da hatte er noch keine Entscheidung getroffen. Er dachte an den Baron und an das Gebet, das er durch ihn kennengelernt hatte: «Gib mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Gib mir den Mut, zu ändern, was zu ändern ist. Und gib mir die Weisheit, zwischen beidem zu unterscheiden.» Er war einen großen Schritt weiter, er war sich sicher, dass er die Weisheit finden würde.
Professor Falko Puttmenger entkorkte einen exquisiten Blauburgunder, der im aktuellen Gambero Rosso mit drei Gläsern ausgezeichnet wurde. Er verzichtete auf jegliches Dekantieren und Belüften, goss sich ein Glas ein und schwenkte es. Er hatte allen Grund zur Zufriedenheit. Die Erpressung war kein Thema mehr. Mit dem Baron hatte er den richtigen Mann hinzugezogen, auch wenn ihm ein Rätsel blieb, wie dieser den Fall gelöst hatte. Aber Hauptsache, es war vorbei. Die Auftragsbücher in seiner Schönheitsklinik waren prall gefüllt – ebenso wie die Brüste der glücklichen Damen, die ihn aus gelifteten Augen anhimmelten. Die Welt war wieder in Ordnung. Er nahm einen Schluck. Auch der Blauburgunder entsprach den Erwartungen. Er schlug die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarre an, natürlich eine Cohiba.
Theresa Steirowitz lag im Bett. Sie hatte zuvor wie jeden Abend noch ein Likörchen getrunken, sich Stöpsel aus Silikon in die Ohren gesteckt und eine Schlafbrille aufgesetzt. Sie hatte ihre festen Rituale und Gewohnheiten. Nur so schaffte man es, alt zu werden und gesund zu bleiben. Dass Phina unter Schlafstörungen litt, konnte sie nicht verstehen. Zur Not gab es doch diese hübschen kleinen Tabletten. Aber ihre junge Freundin hatte sich geweigert, welche mitzunehmen. Schade, sie ließ sich nicht helfen. Theresa zwang sich, nicht an Niki zu denken. Auch nicht an das Südtiroler Roulette und an die grüne Kugel in der
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