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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Mit allen Papieren, und mit dem Flugticket nach San Francisco. One way, ohne Rückflug.»
    ***
    Auf der Terrasse vom Stroblhof wurden die Schlutzer serviert. Dazu eine kleine Karaffe mit Blauburgunder vom eigenen Weingut. Phina und Emilio führten ihr Gespräch fort. Langsam und mit großen Unterbrechungen. Alle beide hatten ihre eigenen Gedanken. Sie machten keine Späße, es wurde nicht gelacht. Aber sie hatten ein gutes Gefühl dabei. Später stieg Phina zu Emilio ins Auto.

[zur Inhaltsübersicht]
    73
    Emilio hatte keine ausgeprägte Harmoniesucht, ganz im Gegenteil. Nach seiner Überzeugung war es verschwendete Zeit, nur eine Sekunde darüber nachzudenken, wie man mit anderen Menschen im Gleichklang leben konnte. Ihm fehlte jede Veranlagung, fortwährend zu lächeln und freundlich zu sein. Es hatte außerdem große Nachteile, allgemein beliebt zu sein: Die Mitmenschen verloren jedes Schamgefühl, sie erzählten einem Vertraulichkeiten, die man nie wissen wollte, sie meldeten sich zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten, wollten sich mit einem treffen, einfach nur, um zu plaudern oder um nett zusammenzusitzen. In der Konsequenz musste man sich alle Bösartigkeiten verkneifen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Für Emilio war das eine Horrorvorstellung, außerdem bekam man davon ein Magengeschwür und erhöhten Blutdruck. Da zog er es vor, auf andere Menschen eher misslaunig und abweisend zu wirken – dafür ließen sie ihn in Ruhe, das allein schon war es wert.
    Aber Ausnahmen bestätigten die Regel: Und eine solche Ausnahme war Phina. Es hatte ihn unheimlich gestört, dass ihn ausgerechnet Phina ablehnte. Es hatte ihn also genau das gestört, was er sonst meist für erstrebenswert hielt. Was wiederum nur die Schlussfolgerung zuließ, dass Phina in seiner Gefühlswelt einen Sonderstatus genoss. Emilio musste lächeln. Er hatte ein Talent, sogar im Selbstgespräch um den heißen Brei herumzureden. Er saß in der Küche vor einer Tasse Cappuccino. Phina war schon vor Stunden aufgebrochen, das hatte er aus seinem Gästezimmer mitbekommen, aber nur, weil ihr Traktor nach dem Anlassen einige Fehlzündungen hatte. Danach hatte er sich im Bett umgedreht und weitergeschlafen.
    Das unliebsame Zusammentreffen mit Marco lag schon einige Tage zurück. Phinas Hausarzt hatte ihn in der Zwischenzeit untersucht, ihm allerlei Tabletten dagelassen, die Schulter bandagiert und strikte Bettruhe verordnet. Aber er hatte vergessen zu sagen, für wie lange.
    Jedenfalls ging es ihm schon viel besser, auch mental. Hatte er doch bis vor kurzem geglaubt, dass Phina für Nikis Tod verantwortlich war. Alle Indizien hatten dafür gesprochen: natürlich die Aussage von Kas-Rudl, aber auch dass Phina ein Motiv hatte und die Gelegenheit zur Tat. Darüber hinaus hatte er es für sehr wahrscheinlich gehalten, dass sie auch beim Ableben ihres Vaters nachgeholfen hatte. Dieses vermeintliche Wissen um Phinas dunkle Seite hatte ihn belastet und in Gewissenskonflikte gebracht – auch wenn er sich das nie eingestanden hätte. Und jetzt war alles anders. Phina hatte ihm Fotos und Krankenunterlagen gezeigt, die eindeutig belegten, dass sie zur möglichen Tatzeit ein Gipsbein hatte und Niki nie hätte auf den Berg folgen können. Und sie hatte die Schachtel rausgesucht mit dem stornierten Flugticket nach San Francisco und dem unterschriebenen Arbeitsvertrag. Dabei hatte sie angefangen zu weinen. Emilio hatte sie schweigend in die Arme geschlossen. Sie hatten lange miteinander geredet, bis spät in die Nacht.
    Endlich aufgestanden, trank er einen Cappuccino, dazu aß er eine Vinschgauer-Semmel, bestrichen mit Honig von Luis Gamper. Als Hobby-Imker war der Mann nicht schlecht, dagegen hatte er sich als Kommissar womöglich ins Bockshorn jagen lassen. Zu seiner Entschuldigung wäre anzuführen, dass ihm selbst fast das Gleiche passiert war.
    Er stand auf und lief in der Küche auf und ab. Mit Phina als Täterin hatte er völlig danebengelegen, so viel stand fest. Und ob seine neue Theorie, die hartnäckig in seinem Kopf herumspukte, der Wahrheit entsprach, war erstens ungewiss und zweitens, was noch schwerer wog, wohl kaum zu beweisen. Jedenfalls wusste er nicht, wie. Und vielleicht war es erneut ein Hirngespinst? Noch dazu ein total durchgeknalltes. Emilio sah zum Fenster hinaus. Er könnte sich noch einige schöne Tage machen, seine schmerzende Schulter pflegen und die anderen Verletzungen, die ihm Marco beigebracht hatte, er könnte die

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