Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
verlief platonisch, aus schwer nachvollziehbaren Gründen, die er gleichwohl mit buddhistischer Gelassenheit akzeptierte.
Emilio hatte Steixner in seinem Terlaner Haus besucht, mit ihm geplaudert und einen merkwürdigen Wein von einer autochthonen Sorte getrunken, der ihm nicht schmeckte, was er aber nicht sagte.
Er hatte mit Theresa einen noch viel schlechteren Wein getrunken – und sich auch nicht beklagt. Wie gesagt, er tat erstaunliche Dinge.
Er hatte Marcos Kampfmesser in die Etsch geworfen, weil er das Teil einfach widerwärtig fand, auch wenn es ihm das Leben gerettet hatte.
Er hatte sich in Bozen beim Südtiroler Archäologiemuseum mit vielen anderen Leuten angestellt, um sich den Ötzi anzuschauen. Was schon deshalb erstaunlich war, weil er sich überhaupt nicht für Gletschermumien interessierte, außerdem die körperliche Nähe fremder, transpirierender Menschen unerträglich fand. Aber ihn faszinierte der Gedanke, dass der Mann aus dem Eis einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, ein Pfeil hatte seine linke Schulter durchbohrt, und dass man den Mord nach über 5000 Jahren nachweisen konnte. Was waren da schon die zehn Jahre seit Nikis Tod? Eine geradezu lächerlich kurze Zeitspanne!
In der Bozner Quästur hatte er seine vollschlanke Cappuccino-Freundin besucht und bei dieser Gelegenheit ihren Chef kennengelernt, der ausnahmsweise weder krank war noch eine Fortbildungsveranstaltung besuchte. Er hatte sich gut mit ihm verstanden. Sie hatten sich intensiv unterhalten.
Er hatte seinen Landy durch eine Autowaschstraße gefahren, was er seit langem nicht mehr gemacht hatte, normalerweise wartete er auf den nächsten Regen.
Wenn Emilio seine vielfältigen Aktivitäten Revue passieren ließ, erschien ihm vieles logisch, manches sogar zwingend notwendig, aber einiges doch ziemlich irrational – was er damit entschuldigte, dass er einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass er langsam aufbrechen musste. In einer halben Stunde hatte er einen Termin. Diesmal wollte er pünktlich sein. Er führte noch ein Telefonat, dann fuhr er los.
***
Als Baron Emilio von Ritzfeld-Hechenstein beim Ansitz von Professor Puttmenger vorfuhr, stellte er zunächst fest, dass das schmiedeeiserne Tor zum Anwesen offen stand, sich nach seiner Durchfahrt aber automatisch hinter ihm schloss. Dann wunderte er sich über den Fiat Cinquecento, der anstelle des roten Ferrari auf dem gewohnten Parkplatz stand. Emilio stieg aus, setzte seine antiquierte Sonnenbrille auf, nahm seinen Gehstock und ging zur Eingangstür. Dabei humpelte er so stark wie schon lange nicht mehr. Es taten ihm heute wieder mal gleich beide Knie weh und zudem der linke Knöchel. Die Schulter schmerzte sowieso und auch das Handgelenk.
Puttmenger öffnete die Tür und begrüßte ihn mit einem angedeuteten Lächeln. Er freue sich über den Besuch, sagte er, schließlich habe er dem Baron einiges zu verdanken.
Ob der Ferrari in der Werkstatt sei, fragte Emilio, auf den kleinen Fiat deutend.
Nein, antwortete Puttmenger, der Ferrari sei ihm gestohlen worden. Der Dieb habe seine Visitenkarte dagelassen. Der Professor führte seinen Gast ins Wohnzimmer, wo auf dem Tisch eine Dose Katzenfutter stand. Diese habe er anstelle des Ferrari auf dem Parkplatz vorgefunden, berichtete Puttmenger. Damit wäre wohl alles klar, oder?
Emilio musste grinsen, stimmte ihm zu und sagte, dass Marco einen seltsamen Humor habe. Vermutlich habe er nach einem geeigneten Fluchtfahrzeug gesucht. Wenn es der Professor wünsche, könne er der Polizei den Namen des Mannes geben und ihn zur Fahndung ausschreiben lassen. Aber das sei ganz alleine seine Entscheidung.
Nein, nein, wiegelte Puttmenger ab. Der Ferrari sei gut versichert, der Diebstahl zur Anzeige gebracht, und in wenigen Wochen käme ein neues Modell auf den Markt, das habe er bereits bestellt. Er hoffe nur, dass er diesen Kleinkriminellen damit endgültig vergessen könne, er habe die Schnauze gestrichen voll.
Er glaube, dass sie von dem Mann nie mehr was hören würden, sagte Emilio. Vielleicht würde man mal in der Zeitung lesen, dass ein gestohlener Ferrari irgendwo in Italien mit überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und der Fahrer ums Leben gekommen sei, spekulierte er. Darüber würde er sich nicht wundern, denn Marco sei ein unbeherrschter Hitzkopf, das habe er erst vor kurzem am eigenen Leibe erfahren.
Puttmenger bot seinem Gast einen Sessel an. «Sie sind ihm
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