Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
worüber? Niki? Zeit für ein kurzes Gespräch? Falko war dem guten Mann eine Antwort schuldig. Er habe zwar einen vollen Terminkalender, sagte er, auch wisse er nicht, wie er bei welchen Nachforschungen auch immer von Nutzen sein könne, aber er könne ihm einen Gesprächstermin anbieten. Schließlich sei ihm seine Auftraggeberin aus früheren Zeiten bekannt. Er machte einen Vorschlag, der von diesem Baron Ritz-Hechen-Dingsbums sofort angenommen und bestätigt wurde. Nach einer freundlichen Verabschiedung legte Falko auf. Er war mit den Nerven völlig am Ende. In zwei Stunden hatte er eine Nasenoperation, danach eine Fettabsaugung. Die Patienten taten ihm jetzt schon leid!
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Zu den vielen schlechten Angewohnheiten, von denen Emilio nicht lassen konnte, zählte die Unpünktlichkeit. Seine Frau, die sich vor Jahren von ihm getrennt hatte, pflegte ihm zu unpassenden Gelegenheiten ein Zitat von Gotthold Ephraim Lessing an den Kopf zu werfen: «Bester Beweis einer guten Erziehung ist die Pünktlichkeit.» Was war denn das für eine Logik? Emilio hielt sich für den lebenden Gegenbeweis dieser These, hatte er doch eine vorzügliche Erziehung genossen. Er hielt es lieber mit Oscar Wilde, der festgestellt hatte: «Die Pünktlichkeit stiehlt uns die beste Zeit!» Genau so war es! Deshalb hatte Emilio auf der Terrasse von Phinas Haus noch ein Nickerchen gehalten, bevor er sich auf den Weg zu seinem Termin gemacht hatte. Jetzt war er natürlich viel zu spät dran, aber das bekümmerte ihn nicht. Mit seinem alten Landy, dessen Lenkung so ausgeschlagen war, dass er ständig gegensteuern musste, fuhr er die Serpentinen hinauf auf den Ritten. Dort war er mit Luis Gamper verabredet, der vor zehn Jahren die Ermittlungen geleitet hatte. Am Telefon hatte der pensionierte Kriminalrat einen vielversprechenden Eindruck gemacht, jedenfalls schien er sich noch sehr genau an die Umstände des Todes von Niki Steirowitz zu erinnern.
Emilio hatte zunächst in Erwägung gezogen, die Seilbahn nach Oberbozen zu nehmen, um von dort mit der Rittner Schmalspurbahn nach Klobenstein zu fahren. Diese Fortbewegungsart hätte ihm zugesagt, sie hätte auch dem Rhythmus einer Region entsprochen, wo im 17. Jahrhundert die Sommerfrische erfunden worden war. Aber schließlich hatte er es doch vorgezogen, flexibel zu sein und mit dem Auto zu fahren. So könnte er später noch einen Abstecher zu den bizarren Erdpyramiden machen, von denen er im Reiseführer gelesen hatte. Er lachte. Nun, das würde er ganz bestimmt nicht tun. Was sollte das bringen? Schon eher würde er auf der Rückfahrt in den Patscheiderhof einkehren und auf der Terrasse einen Spinatknödel essen und ein Glas Wein trinken. Alternativ kämen der Signaterhof in Frage oder die Buschenschank Baumann, wo es hervorragende Schlutzkrapfen geben sollte. Im Auskundschaften von guten Gasthöfen machte ihm keiner was vor.
Er musste vor einer Herde Kühe warten, die über die Straße getrieben wurde, dabei wanderte sein Blick von den vollen Eutern der Wiederkäuer über das Eisacktal hinweg zu den Dolomiten, zum Schlern und zum Rosengarten. Schließlich war auch diese Verzögerung überstanden, er fand nach einer kurzen Irrfahrt in Klobenstein den Weg zum Haus, in dem der Kriminalrat a.D. Gamper wohnte. Dieser war überhaupt nicht verärgert, dass Emilio über eine Stunde zu spät eintraf – was wieder einmal bewies, dass man es im Leben mit Oscar Wilde und nicht mit Lessing halten sollte. Luis Gamper bat Emilio auf den Balkon, dort hatte er einige Notizen bereitgelegt, er brachte zwei Weingläser, ließ sich kurz von Emilio berichten, wie und warum dieser von Nikis Mutter den Auftrag erhalten hatte, Nachforschungen anzustellen, dann begann der pensionierte Kriminalrat unaufgefordert zu erzählen. Emilio lehnte sich entspannt zurück und hörte zu.
Luis Gamper hatte sich nach Emilios Anruf mit dem Fall wieder vertraut gemacht, sich sogar den alten Untersuchungsbericht besorgt und wusste fast alle Details. Allerdings waren keine wirklich neuen Informationen dabei. Den Todestag von Nikolaus Steirowitz habe man nicht genau feststellen können, der Zustand seiner Leiche habe nach gerichtsmedizinischem Gutachten darauf hingedeutet, dass er ein bis drei Wochen vorher abgestürzt sei. Außerdem habe es eine Vermisstenanzeige von einer Angestellten gegeben. Leider habe die Vinothek einige Tage geschlossen gehabt, auch danach habe die junge Dame einige Tage abgewartet, jedenfalls
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