Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
Vom Netzwerk:
Ihrer Stelle nicht tun. Ich möchte über einige Fotos sprechen, die Ihnen vor etwas über zehn Jahren zugegangen sind. Sie erinnern sich?»
    Falko spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Er fühlte sich plötzlich schwindelig, musste sich am Schreibtisch festhalten.
    «Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?», fragte die blecherne Stimme.
    «Ich weiß nichts von irgendwelchen Fotos», antwortete Falko.
    «Das macht nichts, habe ich mir schon gedacht. Ich werde Ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen. Aber nicht jetzt und auch nicht am Telefon. Ich wollte nur wissen, ob es Ihnen gutgeht. Vor allem in finanzieller Hinsicht. Das wäre nämlich wichtig, für uns beide.» Der Anrufer kicherte, was aufgrund der Sprachverzerrung ziemlich merkwürdig klang.
    «Sie sind ja verrückt», schrie ihn Falko durchs Telefon an. «Lassen Sie mich in Ruhe! Und rufen Sie nie wieder an!»
    Der Anrufer lachte. «Sie haben schwache Nerven. Das hätte ich nicht gedacht, bei einem Chirurgen, dem Patienten unter Narkose ihr Leben anvertrauen. Lieber Professor, Sie werden von mir hören, ob Sie wollen oder nicht. Und schauen Sie in den nächsten Tagen mal in den Briefkasten.»
    «Verpiss dich!»
    «Na, na, schwache Nerven und auch noch vulgär. Ich bin enttäuscht. Übrigens …»
    Falko legte auf. Er hatte keine Lust, sich das Geschwätz dieses Spinners länger anzuhören. Geschwätz? Spinner? Falko nahm den nächstbesten Gegenstand und warf ihn wütend durch den Raum. Die sündhaft teure Art-déco-Figur zerschellte auf dem Marmorboden. Nein, natürlich war das kein Geschwätz. Und leider war der Anrufer auch kein Spinner. Aber wie konnte das sein? Nach so langer Zeit? Falko gab sich einen Ruck, versuchte, sich zu beruhigen. Und wenn schon, kein Grund zur Panik. Er ging zum großen Glasfenster und sah hinaus auf das Tal. Wer immer ihn gerade angerufen hatte, würde das noch bereuen.

[zur Inhaltsübersicht]
    10
    Emilio liebte Barriquekeller. Der Anblick der aufgereihten Weinfässer stimulierte seine Lust auf den Inhalt, dazu das schummrige Licht, der Geruch nach dem Rebensaft, der durch das Holz nach außen diffundierte und dezent die Sinne vernebelte. Im Hintergrund lief klassische Musik, weil das nach Phinas Überzeugung den Reifeprozess positiv beeinflusste. Letzteres hielt Emilio zwar für Unfug, auch konnte er Menschen nicht verstehen, die mit ihren Pflanzen sprachen. Aber wer hörte nicht gerne Vivaldi? Emilio erzählte, dass er als Kind in den Fasskellern des elterlichen Weingutes gespielt habe, dass er sich in dieser Unterwelt einerseits gefürchtet habe, sie ihm andererseits wie aus einem alten Märchen erschienen sei und als geheimer Fluchtort vor den Unbilden des Lebens. Phina, die sich bislang eher von ihrer schroffen Seite gezeigt hatte, sah ihn groß an. Mit dieser Schilderung hatte er unbewusst einen Bann gebrochen, denn sie hatte als Kind ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Plötzlich hatten sie etwas gemeinsam.
    Phina erklärte, warum sie Bordelaiser Fässer aus slowenischer Eiche bevorzugte, bei welchen Weinen die Lagerung in Barriques den oxidativen Reifeprozess und die Aromen positiv beeinflusste. Sie sprachen über das Toasting der Fässer und über die Verwendung alter und neuer Barriques. Phina wurde immer lockerer, sie freute sich, dass sie mit Emilio einen kompetenten Gesprächspartner hatte. Er erzählte, dass Barriquefässer während der Französischen Revolution als Straßensperren gedient hätten. Davon würde sich das Wort Barrikade ableiten. Natürlich waren sie sich einig in ihrem Ärger über die Auswüchse internationaler Weinherstellung etwa mit Eichenchips und künstlichen Aromastoffen. Und es fielen ihnen auf Anhieb viele falsch verstandene Barriqueweine ein, die man besser in den Ausguss schütten sollte.
    Phina entnahm einige Fassproben, sie zündete eine Kerze an, sie setzten sich auf zwei Hocker und probierten. Sie philosophierten über Stachelbeeraromen, über Nuancen von frisch gemähtem Gras, über Vanillenoten und Walnüsse. Nach einigen Gläsern erzählte Emilio, dass er Fasskeller zwar mochte, dass sie für ihn aber auch eine traurige Komponente hätten, denn sein Vater habe sich zwischen Weinfässern erhängt, das sei lange her, aber er könne es nie vergessen. Wieder sah ihn Phina erstaunt an. Auch sie habe ihren Vater verloren, erzählte sie. Er sei im Weinberg ums Leben gekommen, ein Traktorunfall. Sie habe das Weingut geerbt und führe es seitdem. Als sich Emilio nach den genaueren

Weitere Kostenlose Bücher