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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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das Glas schließlich aus. Er bekreuzigte sich. «Und Jesus nahm den Kelch und sprach: Das ist mein Blut. Wahrlich, ich sage Euch, ich werde fortan nicht trinken vom Gewächs des Weinstocks bis zu dem Tag, an dem ich neu trinke im Reich Gottes!»
    Im Reich Gottes? Gehörte dazu auch das Fegefeuer?
    Steixner steckte alles zurück in den Umschlag, schob ihn unter den Teppich, ging dann in den Flur, setzte sich einen Strohhut auf und eine Sonnenbrille, dann verließ er seine Villa in Terlan. Er nahm den Spazierweg hinunter an das Ufer der Etsch. Er sah auf die Uhr. Noch blieb ihm etwas Zeit. Er überquerte den Radweg Kaiserin Maria Theresia, blieb auf einer Brücke stehen und schaute auf das strömende Wasser, das vom Reschenpass in den Ötztaler Alpen durch das Vinschgau und über Meran den Weg hierher gefunden hatte. Das Wasser war wie das Leben, es konnte nicht wissen, ob die weitere Reise nur noch kurz oder lang war. Jedenfalls würde der Fluss die Klarheit und die Unschuld der Quelle verlieren, immer schlammiger und schmutziger werden, ganz wie der Mensch, der auch im Laufe des Lebens viel Dreck ansammelte. Die Etsch würde nicht alleine bleiben, kurz nach Bozen gesellte sich der Eisack hinzu. Die weiteren Stationen waren vorgezeichnet, aber Wasser wie Mensch hatten keine Ahnung, was auf sie zukam. Die Salurner Klause, Verona. Der jugendliche Überschwang aus den Ötztaler Alpen war dann längst dahin. Die Etsch war dort träge und undurchsichtig, um sich schließlich im Mündungsgebiet des Po und im Adriatischen Meer zu verlieren. Dann war es dahin mit der eigenen Existenz, das Leben hatte sich im ewigen Nichts aufgelöst. Vorbei und vergessen.
    Wieder blickte Steixner auf die Uhr. Er dachte an das zwölfjährige Mädchen, er sah die Lichtkegel der Scheinwerfer auf dem Asphalt, ein flüchtiger Schatten, ein Schlag …
    Steixner wendete sich vom Fluss ab und fand wie in Trance den Weg, der ihn seinem Ziel näher brachte. Er dachte an seine verstorbene Frau, an den Kummer und die Trauer, die kein Ende nehmen wollten. Dann wieder an das kleine Mädchen, das ihn traurig ansah. Schließlich hatte er die richtige Stelle erreicht, er warf einen letzten Blick hinauf zur Burg Maultasch, kletterte über den Schotter – und stand schließlich auf dem Gleis der Bahnlinie, die Bozen mit Meran verband. Den Zeitplan hatte er im Kopf. Er wusste genau, wann der nächste Zug kommen würde und aus welcher Richtung, auch dass der Lokführer ihn aufgrund einer leichten Kurve erst im letzten Augenblick sehen würde. Er blieb mit dem Rücken zum herannahenden Zug auf dem Gleisbett stehen, er hörte ihn schon kommen. Steixner faltete die Hände und bat um Vergebung.

[zur Inhaltsübersicht]
    21
    Ob seine Nervenschwäche auf die langen Jahre hinter geschlossenen Mauern und verriegelten Türen zurückzuführen war? Doch, ganz bestimmt, worauf denn sonst. Marco erinnerte sich, dass er früher als cooler Hund bekannt gewesen war, der nicht so schnell nervös wurde – sah man einmal von seinem Jähzorn ab, wenn ihm jemand blöd kam. Aber in den Wochen seit seiner Entlassung hatte er feststellen müssen, dass er nicht mehr der Alte war. Der harmlose Einbruch in die Villa hatte ihn gestresst. Dieser Ignorant Puttmenger trieb ihn in den Wahnsinn. Der komische Typ mit dem affigen Gehstock war ihm sogar im Traum erschienen. Die beiden Kandidaten Rottenthaler und Steixner, die sich einfach nicht rührten. Dann die Frage nach dem verschwundenen Geld. Er hatte das Gefühl, das ihm alles über den Kopf wuchs, dass er nicht mehr Herr der Lage war. Gleichzeitig ging nichts voran, das war zum Mäusemelken. Er sah auf seine nackten Füße. Die blasse Haut erschreckte ihn. Seine Beine, die Oberschenkel, alles bleich und irgendwie welk. Er schielte auf seinen Bauch. Früher war dieser flach und muskulös gewesen, jetzt fühlte er sich an einen Algunder Graukäse erinnert. Aber deshalb war er ja hier. Er musste dringend besser in Form kommen, in jeglicher Hinsicht.
    Dass Marco den Namen Matteo Thun nicht kannte, war kein Wunder. Das würde auch so bleiben, denn natürlich interessierte er sich einen feuchten Kehricht für Design und Architektur. Zwar war auch Matteo Thun in Bozen aufgewachsen, aber das war schon die einzige Gemeinsamkeit. Dessen vielfach ausgezeichneten Leuchten, Armbanduhren, Bürostühle, Häuser und Hotels, das von ihm gestaltete Vigilius Mountain Resort – all das hatte in Marcos Welt keine Bedeutung. Und so wusste er auch nicht,

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