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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Höhenangst. Was noch? Ach ja, ich wollte mir Nikis Jugendzimmer ansehen, um in seinen alten Sachen zu wühlen. Das ist eigentlich unter meinem Niveau. Aber mangels Assistenten muss ich alles selber machen.» Emilio drehte um und lief schweigend zurück zum Auto. Was hatte sein Selbstgespräch gebracht? Um es auf den Punkt zu bringen: nichts! Er sollte diese Marotte ablegen – oder sich wirklich einen Rebstock zulegen, dem man die Ohren vollschwätzen konnte.

[zur Inhaltsübersicht]
    19
    Der Ansitz Pillhof lag außerhalb von Bozen an der Weinstraße nach Eppan, stammte aus dem 15. Jahrhundert und hatte eine Zufahrt, die Emilio zunächst verwirrte, dann auf die Unsitte schimpfen ließ, möglichst viele Kreuzungen durch einen Kreisverkehr zu ersetzen. Diese erschwerten die Orientierung, führten bei mehrfacher Umrundung zu Schwindelanfällen und standen zudem im Widerspruch zur mathematischen Erkenntnis, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist. Nachdem Emilio vor dem Ansitz geparkt hatte, stellte er mit liebevollem Blick auf seinen alten und verbeulten Landy fest, dass dieser aussah, als ob er schon am Koreakrieg teilgenommen und später mehrfach die Sahara durchquert hatte. Diese Patina verlieh seinem Geländewagen jedenfalls mehr Persönlichkeit, als es eine polierte Luxuskarosse je aufweisen könnte – sie würde nämlich vorher auseinanderfallen.
    Im Ansitz war eine weithin bekannte Vinothek nebst Restaurant untergebracht, in der er mit Phina verabredet war. Er überquerte den stimmungsvollen Innenhof, warf nur einen flüchtigen Blick auf die Menschen an den dort eingedeckten Tischen und betrat durch einen kleinen Glasvorbau das Lokal. Die rechte Wand wurde von einem gigantischen Weinregal eingenommen, links eine große Theke zum Verkosten, überall Kisten mit Weinen, ein begehbarer Weinklimaschrank. Dass es hier auch etwas zu essen gab, fand Emilio plötzlich völlig nebensächlich. Er versuchte, die Zahl der Weinflaschen im großen Regal zu schätzen. Dann entdeckte er Phina, die ihn zu seinem Erstaunen freundlich anlächelte, er ging zu ihr und ließ sich als Begrüßung zu einem dreifachen Wangenkuss hinreißen, den sie bereitwillig akzeptierte. Eine Reaktion, die ihn in der Ansicht bestätigte, dass er aus Phina nicht schlau wurde. Nun gut, das machte sie jedenfalls entschieden interessanter als zum Beispiel dieses stromlinienartige Geschöpf am Nebentisch, das einem nie Rätsel aufgeben könnte – weil es ihr dafür mutmaßlich an Intelligenz mangelte und an Lebenserfahrung. Solche Damen hatten Erfahrung nur auf einem Gebiet – wie langweilig.
    Gemischte Bruschetta , danach Salat mit Prosciutto crudo croccante e dressing di caprino . Das klang doch viel schöner als «knuspriger Rohschinken und Ziegenfrischkäsedressing». Er liebte die italienische Sprache, nicht nur weil seine Mutter ursprünglich aus Italien kam und ihn zweisprachig erzogen hatte. Für die schönen Dinge des Lebens gab es im Italienischen einfach die wohlklingenderen Wörter. Und wenn es ums Schimpfen ging, war Italienisch ohnehin allen anderen Sprachen überlegen. «Porca madonna» , stimmte ihm Phina mit einem Schmunzeln zu, was zwar blasphemisch war, aber noch relativ gesittet.
    Die Fortsetzung des mittäglichen Menüs erwies sich insofern als Herausforderung, als er die passenden Weine auswählen musste, die erfreulicherweise glasweise ausgeschenkt wurden. Phina hielt sich zurück, er konnte also sein Auto hier stehen lassen und die Rückfahrt mehr oder minder alkoholisiert als Beifahrer bewältigen. Gutes Konzept!
    Nach dem Sekt zum Auftakt, einem Arunda Brut aus Mölten und einem nachfolgenden Gewürztraminer von Phinas eigenem Weingut fühlte er sich von einem Chardonnay Löwengang von Lageder angesprochen. Er murmelte etwas von alten Reben, von tiefgründigen Schotterböden und einem Ausbau auf der Hefe. Dann fiel ihm ein, dass der Winzer Alois Lageder ein herausragender Vertreter der biodynamischen Landwirtschaft war, die auch von Phina mit großer Leidenschaft betrieben wurde. Er erfuhr von ihr, dass ihr verstorbener Vater die Grundsätze der Anthroposophie abgelehnt hatte, dass er den österreichischen Philosophen Rudolf Steiner für einen Scharlatan gehalten und über die Wirkung der Zyklen des Mondes, der Sonne und der Planeten gelacht hatte.
    «Ein spannendes Thema», sagte Emilio, «da sind wohl Weltanschauungen aufeinandergeprallt.»
    «So könnte man sagen. Mein Vater war ein

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