Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
gesagt, einen Pinot bianco Vorberg von der Kellerei Terlan. Von diesem Wein hatte Steixner solche Mengen gelagert, dass es auf eine Flasche mehr oder weniger nicht ankam. Nach dem ersten Schluck beglückwünschte sich Emilio zu seiner Wahl. Nicht von ungefähr war der feine und gleichzeitig doch ausdrucksstarke Vorberg in vielen Weinführern, so auch im Gambero Rosso, sehr hoch bewertet. Den Quarz kannte er sowieso, dieser Sauvignon blanc der Kellerei Terlan hatte es auf die Weinkarten vieler Nobelrestaurants in aller Welt geschafft, genoss fast schon Kultstatus. Auch von diesem Tropfen hatte Steixner größere Bestände in seinem Weinkeller, allerdings nur Magnumflaschen – daran wollte sich Emilio nun doch nicht vergreifen. Er sah auf die Uhr. Noch hatte er Zeit bis zum verabredeten Anruf. Er hatte keinen Zweifel, dass sich der Erpresser melden würde. Mit Steixner hatte er alles abgesprochen, sein Smartphone mit der Aufnahmefunktion lag bereit. Darüber hinaus blieb ihm nichts anderes übrig, als sich überraschen zu lassen und zu improvisieren.
Emilio saß wie das letzte Mal auf dem Lounge Chair, er hatte die Beine hochgelegt, trank gelegentlich vom Weißburgunder und blätterte in einem Buch über die Geschichte der Südtiroler Weine. Schon in vorrömischer Zeit hatten die Räter im heutigen Südtirol Weinbau betrieben. Dort hatte man den Wein bereits in Holzfässern gelagert und transportiert, als die Römer nur Schläuche und Amphoren kannten. Auch pflegte man die Reberziehung in Form von Pergeln. Im Mittelalter hatten bayerische und schwäbische Klöster Südtiroler Weingüter erworben, damit die Mönche keinen Durst leiden mussten. Später kamen die Südtiroler Klöster hinzu, die sich intensiv dem Weinbau widmeten, so zum Beispiel die Klosterkellerei Neustift im Eisacktal. Bald wurden die ersten Traminer-Weine auch ins Ausland geliefert. Im 19. Jahrhundert förderte Erzherzog Johann von Österreich den Südtiroler Weinbau. Er initiierte den Anbau neuer Rebsorten wie zum Beispiel Riesling, Cabernet, Weiß- und Spätburgunder. 1893 wurde in Andrian der erste Genossenschaftsbetrieb gegründet …
Das Telefon klingelte vor der verabredeten Zeit. Emilio schaltete den Lautsprecher ein und aktivierte die Tonaufzeichnung seines Smartphones. Er hob ab und meldete sich zunächst mit einem Räuspern, dann mit dem Namen seines Klienten: «Steixner, ja bitte?»
Der Anrufer war weit weniger zurückhaltend. «Warum haben Sie mich angelogen?», kam er statt einer Begrüßung gleich auf den Punkt.
Das ging ja gut los. Emilio zögerte mit der Antwort. «Wie kommen Sie denn darauf?», wies er den Vorwurf mit einer Gegenfrage zurück.
«Sie hatten keinen Nervenzusammenbruch, wie Sie behauptet haben, in Wahrheit haben Sie versucht, sich das Leben zu nehmen.»
Emilio atmete tief durch. Mit diesem Vorwurf der Lüge konnte er leben. «Das Leben zu nehmen …», wiederholte er stammelnd die letzten Worte.
«Ganz genau. Ich hab die Nachricht erst jetzt in einer alten Zeitung entdeckt. Sie wollten sich vor den Zug werfen, stimmt’s?»
«Nein», widersprach Emilio, «das wollte ich nicht. Ich hatte wirklich einen Nervenzusammenbruch, nachdem ich Ihren Umschlag geöffnet habe. Ich wollte frische Luft schnappen und bin beim Überqueren der Gleise unvorsichtig gewesen.»
«Das können Sie Ihrer Schwiegermutter erzählen.»
«Ist außerdem egal», sagte Emilio, «ich lebe ja noch.»
«Wenn Sie sich umbringen, übergebe ich das Material der Polizei und der Presse. Dann wird Ihr Name noch nach Ihrem Tod in den Schmutz gezogen. Machen Sie also keinen Scheiß!»
«Das würden Sie tun?», fragte Emilio mit weinerlicher Stimme.
«Worauf Sie einen lassen können. Den Spaß mache ich mir.»
«Das ist kein Spaß. Was soll ich tun?»
«Das wissen Sie doch. Haben Sie das Geld?»
«Noch nicht, aber ich habe alles in die Wege geleitet. Ich krieg’s zusammen, ganz bestimmt. Geben Sie mir noch zwei Tage.»
«Nein, die gebe ich Ihnen nicht. Morgen zur gleichen Zeit rufe ich Sie wieder an. Dann möchte ich, dass Sie mir bestätigen, dass das Geld auf mich wartet. Ich erkläre Ihnen dann wie die Übergabe erfolgt.»
«Ich kann es nicht versprechen …»
«Doch, können Sie. Sie haben nämlich keine Alternative.»
«Ich versuche es.»
«Versuchen reicht nicht. Morgen Abend erfolgt die Geldübergabe. Im Austausch bekommen Sie das gesamte Belastungsmaterial, dann können Sie wieder ruhig schlafen.»
«Wer garantiert mir, dass Sie
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