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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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sich hin, nahm den Schraubenzieher, fuhr mit dem Finger über die Klinge, an der er braune Spuren entdeckte. Wie von einer Farbe? Oder waren das feine Holzspäne? Wieder sah er sich um. Der Raum hatte eine umlaufende, braune Holztäfelung, die vom Fußboden bis etwa Schulterhöhe reichte. In der nächstgelegenen Ecke fand er am Boden einige Schleifspuren, die ihm relativ frisch erschienen. Er drehte den Schraubenzieher um und klopfte gegen die Holzverschalung. Tatsächlich klang sie an einer Stelle hohl, aber nur hier. Er kontrollierte die Ränder der ineinander verfugten Platten. Und siehe da: Hier hatte jemand unverkennbar rumgefummelt. Wenn man genauer hinsah, wurde einem klar, dass es sich zum Teil um alte Beschädigungen handelte, die mit Farbe überstrichen waren. Aber einige Kratzer wirkten ziemlich neu. Emilio nahm den Schraubenzieher, schob ihn in den Spalt und hebelte vorsichtig an der Holzplatte, die sich schon bei den ersten Versuchen lockerte, bald aus dem Rahmen fiel und einen dahinterliegenden Hohlraum offenbarte. Am Boden liegend, leuchtete er mit dem Licht seiner Handykamera hinein. Er fand einen leeren Karton und ein rotes Modellauto, das ihm wie ein alter Ferrari erschien – aber er war kein Experte für Sportkarossen. Das Modellauto steckte er in seine Jackentasche, den leeren Karton schob er zurück, anschließend presste er die Holzvertäfelung wieder in ihren Rahmen. Schade, da entdeckte man mit Fortune und besonderem Scharfsinn einen geheimen Hohlraum, und dann war nichts drin. Emilio musste zugeben, dass er enttäuscht war. Er schlug die Decke zurück und setzte sich aufs Sofa. Er spielte mit dem Modellauto und dachte nach. Immerhin ließ sich eine schlüssige Arbeitshypothese aufstellen. Vor nicht allzu langer Zeit, die man mit Gretas Hilfe noch genauer eingrenzen könnte, hatte ein unbekannter Besucher erstens die Lampe im Flur umgestoßen, zweitens den Schlüssel an die falsche Stelle gelegt, drittens mit einem mitgebrachten Schraubenzieher den Hohlraum geöffnet, von dessen Existenz er viertens gewusst haben musste, um fünftens den Inhalt des Kartons mitzunehmen oder, sechstens, darüber hinaus noch weitere Dinge, die im Zimmer versteckt gewesen waren. Siebtens hatte er vielleicht gar nichts gefunden und ebenso dumm geschaut wie soeben Emilio. Achtens hatte er das Modellauto missachtet. Oder neuntens, es umgekehrt erst im Hohlraum deponiert – was eher unwahrscheinlich war. Und zehntens hatte der Besucher den Schraubenzieher vergessen!
    Emilio spielte mit den Rädern, drehte das Auto um und las die Modellbezeichnung: Ferrari 246 GT. War er jetzt sehr viel klüger? Im Gegenteil, das alles war ausgesprochen verwirrend. Was sollte der Kinderkram mit Nikis Tod zu tun haben oder mit den aktuellen Vorfällen? Nichts, absolut nichts. Er kam sich vor wie ein Spürhund, der statt Rauschgift oder Schmuggelware grüne Gummibärchen gefunden hatte. Er fuhr mit dem Ferrari über die Lehne des Sofas. Fehlte nur noch, dass er mit dem Mund Motorengeräusche nachahmte. Dann wäre seine kindliche Verblödung bedenklich weit fortgeschritten.
    Der Ferrari entglitt seinen Fingern und stürzte von der Lehne auf den Boden, dabei sprang die Motorhaube auf – und statt eines verchromten Zwölfzylinders kam ein kleiner Schlüssel zum Vorschein, der hier eingekeilt war. Emilio zog den Schlüssel heraus und stellte fest, dass es sich zweifelsfrei um einen Safeschlüssel handelte, mit einer eingravierten Nummer. Er lächelte zufrieden. Jetzt hatte der Spürhund doch etwas anderes gefunden als grüne Gummibärchen. Leider war ein Safeschlüssel nicht viel wert, wenn man nicht wusste, wo sich der zugehörige Safe oder das betreffende Bankschließfach befand. Also hatte er ein weiteres Fragezeichen auf seiner an Fragezeichen nicht armen Liste. Er musste aufpassen, dass er nicht den Überblick verlor. Wieder musste er lächeln. Welchen Überblick? Wenn es etwas gab, was ihm in seiner momentanen Situation gänzlich abging, dann war es jegliche Form eines Überblicks. Also konnte ihm selbiger auch nicht abhandenkommen.

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    Du blödes Arschloch, hatte auf dem Zettel im Pilotenkoffer gestanden. Und dass er sich mit der Zeitung den Hintern abwischen könne. Die wenigen Zeilen hatte Marco im Kopf, jede Silbe, jeden Buchstaben, jede Unverschämtheit. Schon beim Gedanken an den Brief, den er auf dem Grabstein in Tramin zurückgelassen hatte, bekam er einen roten Kopf. Dieser Professor war ein

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