Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
Rat in einer anderen, ausgesprochen delikaten und sehr persönlichen Angelegenheit. Er würde sich gerne mit dem Baron treffen, um ihm den Sachverhalt darzulegen. Es wäre allerdings ziemlich dringend, ob er heute am frühen Abend Zeit habe?
«Aber gerne», antwortete Emilio. Bei dem nächsten Satz wäre Puttmenger fast das Handy aus der Hand gefallen. Sagte der Baron doch ganz entspannt und wie selbstverständlich: «Dann können wir über Ihre Erpressung sprechen.»
«Sie wissen …?», stotterte Puttmenger.
«Dass Sie erpresst werden? Ich habe es mir gedacht, aber Sie können ganz beruhigt sein, ich kenne keine Details.»
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«Die ausschließliche Konzentration auf den Vernatsch war der Anfang vom Ende», erklärte Phina Pernhofer der kleinen Gruppe von Weintouristen, die auf ihrem Weingut zu Besuch war. «Man hat die Traube praktisch überall angebaut, unten in der Ebene genauso wie oben am Berg. Die Nachfrage war so groß, dass es nur noch darum ging, einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen – zu Lasten der Qualität.» Phina hatte keine Freude an solchen Terminen, weder war sie gerne unter Menschen, noch mochte sie über Südtiroler Weine dozieren. Aber leider gehörten Veranstaltungen wie diese zum Geschäft. Man musste sich die Zeit nehmen – auch wenn sie lieber im Weinberg gearbeitet hätte. Es gab Winzerkollegen, denen machte es Spaß, die hatten dafür Talent. Bei ihr war das anders, trotzdem machte sie weiter. «Wir haben in Südtirol die unterschiedlichsten Böden», erklärte sie, «von Kies und Sand bis zum Dolomitkalk. Die Weinberge haben alle möglichen Himmelsausrichtungen und liegen in Höhen von 200 bis 1000 Metern. Es gibt auf wenigen Kilometern die unterschiedlichsten Klimazonen. Diese Vielseitigkeit ist unser größtes Kapital», sagte sie. «Man muss bei jedem Weinberg entscheiden, welche Sorten für den Standort am besten geeignet sind. Das Ergebnis sind individuelle Weine, die uns keiner so schnell nachmachen kann. Überall Vernatsch anzubauen, das war Schwachsinn.»
Phina machte eine Pause. Sie dachte an ihren Vater, der genau das gemacht hatte. Gemeinsam probierten sie von ihrem Sauvignon. Die Gruppe schien begeistert. Vielleicht kauften sie hinterher einige Kartons. Wobei ihr das ziemlich egal war. Ihre Weine waren begehrt und regelmäßig ausverkauft.
«Nach der Krise in den siebziger und achtziger Jahren hat sich das Weinland Südtirol neu erfunden», fuhr sie fort. «Heute haben wir prozentual die meisten Qualitätsweine in ganz Italien. Natürlich gehört der Vernatsch immer noch dazu, aber eben als eine Traube unter vielen. Diese autochthone Rebsorte ist bei uns seit dem Mittelalter heimisch. Sie braucht warme Lagen, wird traditionell auf Pergel erzogen und ergibt leichte, gerbstoffarme Weine. Sie alle kennen ja den Vernatsch als Kalterersee und als Sankt Magdalener, der meist etwas kräftiger ist.»
«Stimmt es, dass der deutsche Trollinger mit dem Vernatsch verwandt ist?», fragte jemand aus der Besuchergruppe.
«Ganz genau. Im Wort steckt Tirolinger als Hinweis darauf, wo die Traube herkommt.» Phina beschloss, ihren Vortrag etwas abzukürzen. Wenn die Leute anfingen, Fragen zu stellen, bestand die Gefahr, dass es sich in die Länge zog. Der nächste Wein wurde ausgeschenkt.
«Kommen wir zum Lagrein, der sich in tiefen Lagen besonders wohl fühlt, so auch auf den Schwemm- und Schotterböden rund um Bozen. Der Lagrein liegt momentan im Trend. Unsere Spitzenselektion ist in Barriquefässern ausgebaut. Der Sauvignon Blanc, den Sie vorhin im Glas hatten, braucht große Temperaturunterschiede, ähnlich wie der Weißburgunder empfiehlt er sich für Lagen über 400 Meter. Beide Rebsorten kamen schon im 19. Jahrhundert nach Südtirol. Nicht zu vergessen unser Blauburgunder, der dem Pinot noir oder Spätburgunder entspricht. Er bevorzugt kalkhaltige Schotterböden und mittlere Höhenlagen.»
Phina fiel es schwer, sich zu konzentrieren. Die letzte Nacht, in der sie kaum geschlafen hatte, steckte ihr noch in den Knochen. Außerdem gingen ihr wirre Gedanken durch den Kopf. Mal dachte sie an Emilio, dann wieder an ihren Vater oder sogar an Niki, den sie längst vergessen glaubte. Irgendwie kam alles wieder hoch, die ganze beschissene Vergangenheit. Was hatte sich Theresa nur dabei gedacht, Emilio mit diesbezüglichen Nachforschungen zu beauftragen? Als Hausgast war ihr der Baron sehr angenehm, als Ermittler hatte sie ihn weniger gern. Vor allem
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