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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Jazzkomponisten, er dachte an Ella Fitzgerald, Louis Armstrong und Judy Garland. Später fielen ihm zu seinem Leidwesen andere Namen ein: Niki Steirowitz, Ernst Steixner, Professor Puttmenger. Mitten in «Summertime» brach er ab. Er stand auf und klappte den Deckel zu. Die plötzliche Stille im Haus war fast schon beängstigend. Aber so paranoid war er nicht, dass er an einen Hörsturz glaubte.
    ***
    In Meran angekommen, ging Emilio zunächst in die Laubengasse, um dort zu frühstücken. Sein morgendlicher Tatendrang war ungewohnt genug, mit nüchternem Magen würde er ihn kaum überleben. Nach Cornetto, Parmaschinken und Cappuccino fühlte er sich besser. Er fuhr nach Obermais, wo er sich bei Theresas Haushälterin angemeldet hatte. Er wollte sich im alten Familiensitz der Familie Steirowitz die dort gelagerten privaten Sachen von Niki ansehen. Jedenfalls hatte er diese Absicht gegenüber Theresa leichtfertig angekündigt. Er hatte keine Ahnung, was das bringen sollte. Der einzige Sinn bestand wohl darin, gegenüber Theresa einen gewissen Aktionismus erkennen zu lassen und damit seinen Vorschuss zu legitimieren. Nun gut, dann diente sein Besuch wenigstens einem gutem Zweck.
    Greta freute sich, ihn wiederzusehen, das letzte Mal wäre er noch ein Kind gewesen. Emilio tat so, als ob auch er sich freute – dabei hatte er an Theresas Haushälterin keine Erinnerung. Sie führte ihn hinauf in den zweiten Stock. Dort bat sie Emilio, auf eine Stehlampe aufzupassen. Die habe neuerdings eine Beule, was ihr unerklärlich sei, weil sie sich nicht erinnern konnte, dass sie jemals umgefallen wäre. Auch habe sie die Birne auswechseln müssen. Greta langte vor Nikis Zimmer auf den Türsims. «Wo isch denn der vermaledeite Schlüssel?» Mit der Hand tastete sie von links nach rechts. «Do isch er jo», sagte sie. «Des isch obr seltsam», murmelte sie, «i hett schwer’n kennen, dass i ihn wia immer ganz links hingleg hon.» Sie steckte den Schlüssel ins Schloss. «Egal, Hauptsach, er isch no da.» Emilio warf einen Blick auf die Stehlampe, sah dann zu Greta, die auf ihn einen ausgesprochen gewissenhaften Eindruck machte. Die Haushälterin ging voraus. Nikis altes Kinder- und Jugendzimmer war sehr groß, in der Mitte waren Umzugskartons gestapelt. Greta zog die schweren Vorhänge auf und erzählte in ihrem Südtiroler Dialekt, dass Niki diesen Raum bis zu seinem Tod genutzt habe. Obwohl er in Bozen eine schöne Wohnung hatte, habe er hier immer wieder vorbeigeschaut, in seinem Zimmer gearbeitet, auch mal eine Nacht geschlafen. Das sei sein Rückzugsort gewesen, berichtete Greta, hier habe er sich von ihr verwöhnen lassen. Sie habe ihm seine Lieblingsgerichte gekocht, seine Wäsche gewaschen und gebügelt. Jetzt sei er schon zehn Jahre tot, der arme Bua. Sie könne es noch immer nicht glauben. Ob sie Emilio bei der Durchsicht der Kartons helfen könne, fragte sie. Er schüttelte den Kopf. Nein, vielen Dank, er wisse selber nicht, wonach er konkret suche. Greta zeigte ihm den Karton, in dem sie das Sakko mit dem Zettel gefunden hatte, mit dieser merkwürdigen Warnung, dass Niki gut auf sich aufpassen solle, weil ihm jemand nach dem Leben trachte. Da sei es ihr kalt den Buckel runtergelaufen.
    Allein im Zimmer ging Emilio langsam auf und ab. Er betrachtete die Bilder an der Wand, inspizierte die Bücher im Regal. Im Fenster stand das Modell eines Schiffes, mit verstaubtem Segel. Er setzte sich auf einen Umzugskarton und fragte sich, was es bringen sollte, in den Kisten herumzuwühlen. An Nikis Klamotten war er jedenfalls nicht interessiert. Schon eher an irgendwelchen Aktenordnern oder Dokumenten, die ihm einen Einblick in Nikis Leben und Umfeld erlaubten. Nur stand beim Studium der Aufwand in keinem Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn. Emilios Blick fiel auf ein Sofa, das mit einem großen Tuch zugedeckt war. Er überlegte, ob er sich hinlegen sollte. Schließlich hatte er einigen Schlaf nachzuholen. Seine Augen wanderten gedankenverloren über den Eichenboden – und blieben bei einem großen Schraubenzieher hängen. Ein Schraubenzieher, der hier einfach auf dem Boden herumlag? In einem Haus, in dem Greta für Ordnung sorgte? Plötzlich war Emilio hellwach. Er dachte an den Schlüssel, der nicht an seinem Platz gelegen hatte, an die Stehlampe mit der unerklärlichen Beule. Er stand auf, ging zum Schraubenzieher, blieb dort stehen und sah sich um. Gab es hier irgendetwas mit großen Schrauben? Fehlanzeige! Er kniete

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