Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
keine Kopien behalten?», fragte Emilio.
Der Anrufer lachte. «Niemand. Das müssen Sie mir einfach glauben.»
«Einfach glauben …», wiederholte Emilio in gespielter Hilflosigkeit.
«Und noch was. Kommen Sie nicht auf die Idee, die Polizei zu verständigen oder sich sonst irgendwo Hilfe zu holen. Wenn was schiefläuft, geht das Material automatisch an die Presse.»
«Bitte nicht. Sie bekommen ja das Geld.»
«Dann sind wir uns ja einig. Warum haben Sie eigentlich alle Vorhänge zugezogen?»
«Woher wissen Sie das? Beobachten Sie mein Haus?»
«Ja, sogar in diesem Augenblick. Sie sollten mal den Rasen mähen. Ich wünsche noch einen schönen Tag.»
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37
Professor Dr. med. Falko Puttmenger verließ zwischen einer Nasenkorrektur und einer Brustoperation, bei der die Implantate zwecks weiterer Vergrößerung ausgewechselt werden sollten, seine Klinik. Offiziell, um einen Spaziergang zu machen. Was seine Angestellten verwundert zur Kenntnis nahmen, schließlich wussten sie, dass er das sinn- und ziellose Herumlaufen in der Landschaft für einen Zeitvertreib für Versager oder für Rentner kurz vor der Verwesung hielt. Vergleichbares kam für ihn nur in Frage, wenn ein Golfball im Spiel war. Aber es war ihm heute egal, was man über ihn dachte. Er hatte andere Probleme. Zum Beispiel musste er dringend ein Telefonat führen, bei dem er keine Mithörer brauchen konnte. Selbst in seinem Arbeitszimmer konnte er sich da nicht sicher sein. Die Neugier seiner Sekretärin durchdrang Wände und hatte schon manche Telefonanlage überlistet.
Puttmenger lief durch eine Apfelplantage, dann stand er mitten auf einer Wiese, wo ihn nur Maulwürfe belauschen könnten. Lange hatte er überlegt, ob er das Gespräch wirklich führen sollte, ob er diesen Schritt gehen sollte, welche Gefahren sich daraus ergeben könnten. Er war ein Mann, der seine Probleme gerne im Alleingang löste. Andererseits wusste er, dass man keine Operation ohne Hilfe machen konnte, man brauchte Assistenten und einen Anästhesisten. Vor allem mussten diese ihr Handwerk beherrschen, er konnte in seinem Job nur Profis gebrauchen. Womit er beim Thema war. Denn die Geldübergabe auf dem Friedhof hatte er wie ein ahnungsloser Amateur verbockt. Heute früh hatte er wieder einen Umschlag in seinem Briefkasten gefunden. Sein Erpresser hatte die nächste Runde eingeläutet. Und Puttmenger ahnte, dass diese die Entscheidung bringen würde. Sollte oder sollte er nicht? Noch immer zögerte er. Er hielt die Visitenkarte in der Hand, die ihm der Baron bei seinem Besuch überreicht hatte. Der Mann war schon lange Jahre Privatdetektiv, das hatte Puttmenger im Internet bestätigt gefunden, er hatte einen souveränen Eindruck gemacht, schien aber gleichzeitig nicht besonders an seinem Auftrag interessiert zu sein. Falko Puttmenger hatte den Eindruck gewonnen, dass der Baron Nikis Tod nicht wirklich aufklären wollte. Der Mann hatte auf ihn eher gelangweilt gewirkt. Ein Profi also, der keine besonderen Ambitionen hegte, die Wahrheit herauszufinden. Das musste in seinem Fall kein Nachteil sein, ganz im Gegenteil. Er brauchte Rat, vielleicht auch tätige Unterstützung, aber er konnte niemanden gebrauchen, der anfing zu schnüffeln. Dass der Baron nicht aus dieser Gegend stammte, war ein weiterer Vorteil. Er würde wieder verschwinden. Was also konnte passieren? Vor allem durfte der Baron nicht herausbekommen, womit man ihn erpresste. Dies auf keinen Fall. Er sollte nicht in der Vergangenheit herumstochern. Auch hatten ihn die wahren Zusammenhänge nicht zu interessieren. Und wenn er es doch tat? Dann würde er ihn erschießen! Falko Puttmenger zuckte zusammen. Meinte er das im Ernst? Er wusste es nicht, aber die dafür nötige Pistole, die hatte er jedenfalls. Aber das war eine andere Geschichte.
Er entschied sich, nicht länger zu warten. In einer halben Stunde war die Brustvergrößerung angesetzt. Er gab die Nummer von der Visitenkarte ein. Der Baron meldete sich unverzüglich und sprach ihn direkt mit Namen an: «Guten Tag, Herr Professor. Was verschafft mir die Ehre?»
Puttmenger war überrascht. Aber die Erklärung lag auf der Hand. Offenbar hatte der Baron seine Handynummer abgespeichert. Er erwiderte die Begrüßung und kam nach einigen Höflichkeitsfloskeln sehr schnell auf den Punkt. Nein, er habe keine weiterführenden Erkenntnisse zum Unfalltod von Niki Steirowitz, deshalb rufe er auch nicht an. Vielmehr brauche er seinen professionellen
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