Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
harter Brocken, das hatte er sich schon gedacht. Marco hatte mit irgendeinem hinterhältigen Trick gerechnet und deshalb den Koffer nicht einfach mitgenommen, sondern sofort am Friedhof geleert. Die Geldbündel hatte er in einen mitgebrachten Rucksack gestopft, die Zeitungsseiten wütend in der Gegend verstreut, und das alberne Handy als Briefbeschwerer zurückgelassen. Für wie blöd hielt ihn der Typ? Dann hatte sich Marco zurückgezogen und oben an der Friedhofsmauer neben dem steinernen Kreuz gewartet. Sein Fernglas war ziemlich lichtstark, es gehörte seinem Schwager Franco, der es auf der Jagd in der Nacht verwendete. Eigentlich hätte er einfach abhauen können, aber es interessierte ihn, ob Puttmenger zurückkam. Und tatsächlich, es hatte zwar länger gedauert als erwartet, aber dann kam er angekrochen. Mit dem Fernglas hatte er ihn genau im Visier. Mit dem Jagdgewehr seines Schwagers hätte er ihn ohne weiteres abknallen können. Wie eine Wildsau, die sich zwischen den Grabsteinen verirrt hatte. Aber was sollte das bringen? Eine tote Sau ließ sich nicht erpressen. Und dass das Spiel noch nicht zu Ende war, stand für Marco außer Frage. Der Professor würde die zweite Rate bezahlen. Dass er diese großzügig nach oben aufrunden würde, verstand sich von selbst. Und wenn der Schönheitsschnipsler glaubte, ihm die Bedingungen der Übergabe diktieren zu können, wie er es im Brief frech angekündigt hatte, dann hatte er sich gehörig geschnitten – sozusagen mit seinem Skalpell in den eigenen Hintern.
Marco erinnerte sich, dass er mit seiner Vespa zum Abschied einige Male gehupt hatte. Das hatte Puttmenger auf dem Friedhof sicher gehört. Sein blödes Gesicht hätte er gerne gesehen. Denn sein Geld war weg, das hatte den Besitzer gewechselt. Marco hatte die Geldbündel vor sich auf dem Tisch gestapelt. Viele waren es nicht, aber es war ein Anfang. Zusammen mit dem Geld aus Nikis Versteck hatte er jetzt schon mehr beieinander, als er mit ehrlicher Arbeit im Weinkeller einer Genossenschaft verdienen könnte. Dabei ging es erst richtig los. Es gab also keinen Grund frustriert zu sein. Es war nur alles etwas umständlicher als erwartet. Aber wer trennte sich schon gerne von seinem Geld? Selbst verweichlichte Sesselfurzer taten sich damit schwer.
Warum Puttmenger überhaupt Geld in den Koffer getan hatte, konnte Marco nicht verstehen. Entweder nur Zeitungen oder eben die komplette Summe. Ob ihm das der Privatschnüffler aus München geraten hatte? Der Trick mit dem Handy war bestimmt dieser Ratte eingefallen. Marco hatte keinen Zweifel mehr, dass Puttmenger den Mann engagiert hatte, um ihm aus der Scheiße zu helfen. Deshalb hatte Marco am Friedhof immer auch nach einem zweiten Mann Ausschau gehalten. Vor dem Baron hatte er größeren Respekt als vor Puttmenger, auch wenn er einen Gehstock brauchte und nicht besonders sportlich aussah, aber er war ein Profi – hoffentlich ein schlechter. Ganz sicher sogar, denn nur ein Blödmann konnte Puttmenger zu so einer bescheuerten Geldübergabe raten.
Was waren die nächsten Schritte? Er würde Puttmenger mitteilen, dass sich die Summe verdoppelt hatte. Er würde ihm noch einmal einige Fotos schicken, davon hatte er genug. Er würde Puttmenger unmissverständlich klarmachen, dass er nur noch eine letzte Chance hatte, danach würden die Fotos an die Presse gehen. Marco überlegte, ob er den Baron aus dem Verkehr ziehen sollte. Dafür sprach einiges, der Mann war ein Risiko und konnte alles durcheinanderbringen. Andererseits brachte er nur ungern jemanden um, vorsätzlich hatte er das noch nie gemacht, nur im Affekt. Aber vielleicht konnte man ihn krankenhausreif zusammenschlagen? Damit war der Mann aus dem Spiel, und er hatte seinen Spaß dabei. Doch, das würde er machen, der Entschluss stand fest. Und Steixner? Den würde er heute Nachmittag anrufen, zur selben Zeit wie gestern. Vorher würde er noch einige Erkundigungen einholen. Es reichte, dass ihm Puttmenger Schwierigkeiten bereitete, bei Steixner wollte er auf Nummer sicher gehen. Aber bei dieser Pfeife machte er sich keine wirklichen Sorgen. Der pfiff schon jetzt auf dem letzten Loch.
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Er parkte seinen Landy in einiger Entfernung und schlich sich durch die Hintertür ins Haus. Emilio hatte zwar nicht den Eindruck, dass Steixners Villa beobachtet wurde, aber er wollte kein Risiko eingehen. Im Weinkeller holte er sich aus einem Klimaschrank eine Flasche Weißburgunder, genauer
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