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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Womit sie definitiv recht hatten. Emilio sprach einen der Türsteher an, der aussah, als ob er hier schon länger arbeitete. Er zeigte ihm die Fotos von der grell geschminkten Frau, die Gamper als Drag Queen bezeichnet hatte. Der Türsteher, der gleichzeitig Rausschmeißer war, sagte, dass er die Person schon mal gesehen habe, sogar ganz sicher und häufiger, aber das sei schon eine Weile her. Ein in die Jahre gekommener Transvestit, der draußen eine Zigarette rauchte, warf auch einen Blick auf die Fotos. Aber klar, die Pink Lady habe abgefahrene sexuelle Vorlieben gehabt und komische Freunde. Emilio zeigte weitere Fotos, auf denen zum Beispiel der Bozner Gemeinderat Rottenthaler zu sehen war und Puttmenger. Ob sich darunter einer dieser Freunde befände? Erwartungsgemäß erntete er nur Gelächter. Nein, solche Spießer hätten hier nichts verloren. Und er selbst solle auch besser schauen, dass er weiterkäme.
    Dessen ungeachtet versuchte es Emilio bei einigen weiteren Türstehern und Prostituierten, auch drang er zu einer Bar vor und befragte das Personal hinter dem Tresen. Ganz gefahrlos schien ihm sein Ausflug nicht, aber er lernte begrifflich dazu: Von Shemales war die Rede, von Transen und Transgirls, von Drag Kings und Queens. Eine Lady mit gewaltigen Brüsten musste er zum Champagner einladen, der nach billiger Brause schmeckte, beim Abschiedskuss stellte er fest, dass die Dame über einen starken Bartwuchs verfügte. Als ihm eine andere Nachtschönheit erst die Zunge ins Ohr steckte und ihm schließlich aus rot geschminkten Lippen im tiefen Bass antwortete, trat er unwiderruflich die Flucht an.
    Bis zum Auto musste er noch einige eindeutige Angebote abwehren, dann hatte er es geschafft. Blieb die Selbsterkenntnis, dass er von allen guten Geistern verlassen war. Hatte er wirklich geglaubt, die grelle «Lady» von den Fotos hier anzutreffen, um von ihr zu hören, mit welchem Mann aus dem beschaulichen Südtirol sie vor grauer Vorzeit Sexualverkehr gehabt hatte? Er sollte froh sein, dass er seinen Geldbeutel noch besaß und körperlich keinen Schaden genommen hatte.

[zur Inhaltsübersicht]
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    Theresa Steirowitz hielt es insofern mit Sissi, als sie auf tägliche Bewegung an der frischen Luft Wert legte. Damit waren die Gemeinsamkeiten in der Lebensführung erschöpft: Theresa wäre nie auf die Idee gekommen, wegen ihrer Figur zu hungern, auf Alkohol zu verzichten, Gymnastik zu treiben oder auszureiten. Selbst der von Kaiserin Elisabeth so geschätzten Meraner Traubenkur konnte sie nichts abgewinnen. Was schon daran lag, dass sie im Unterschied zu Sissi nie unter Darmträgheit litt. Wenn schon Vernatsch, dann nicht als verdauungsfördernde Kurtraube, sondern in seiner Erscheinungsform als Küchelberger vom Meraner Hügel. Sissi pflegte ihren Spaziergang in verschärftem Tempo zu absolvieren, Theresa bevorzugte eine gemächliche Gangart. Gleichwohl zählte der Spaziergang zum täglichen Ritual – und sie legte auf möglichst unterhaltsame Begleitung Wert. Emilio hatte in den letzten Tagen bereits das Vergnügen gehabt.
    Heute hatte Theresa ihre Freundin Phina überredet, nach Meran zu kommen und ihr Gesellschaft zu leisten. Es gab doch noch eine Gemeinsamkeit mit der schönen Kaiserin: Theresa mochte die Spazierwege in den Trauttmansdorffer Gärten. Wo sonst gab es in unmittelbarer Nähe hoher Berge eine solche botanische Vielfalt? Palmen, Zedern, Olivenbäume, Seerosenteiche, Sonnenblumen – sogar Reisterrassen gab es. Durchzogen von Spazierwegen, mit der Möglichkeit, sich auszuruhen und in Liegestühlen zu entspannen. Die von Mattheo Thun gestaltete Aussichtsplattform, die einen spektakulären Blick auf die Trauttmansdorffer Gärten ermöglichte, strafte Theresa allerdings mit Missachtung, wie fast alles, was erst nach Ende des österreichischen Kaiserreichs entstanden war.
    Theresa hakte Phina unter und führte sie zu einer Holzterrasse an einem Teich, wo sie unter einem weißen Baldachin zwei Stühle fanden und ungestört reden konnten. Dabei war Phina wenig zum Reden zumute, das war Theresa nicht entgangen. Aber als mütterliche Freundin wollte sie herausfinden, was mit Phina los war. Außerdem war sie neugierig. Anscheinend hatten Phina und Emilio keinen Draht zueinander gefunden. Das hatte sie seltsamerweise anders erwartet. Jetzt wollte sie wissen, warum ihre Intuition sie getrogen hatte.
    Eigentlich kannte Theresa ihre Freundin als geradlinige Person, die in zusammenhängenden Sätzen sprach und

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