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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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schweigen, das hatte er längst entschieden. Schweigen gegenüber Dritten, aber was war mit Phina? Mit ihr sollte er reden, das musste sein, vielleicht konnte er ihr helfen. Allerdings wusste er nicht, wie er das anstellen sollte. Phina hatte ihn rausgeschmissen und wollte ihn nie mehr sehen.
    Emilio stand auf und streckte sich. Er ging ins Haus und machte sich einen Espresso.
    Eine knappe Stunde später saß er in einer Kabine der Rittner Seilbahn. In zwölf Minuten führte sie von Bozen auf über 1200 Meter nach Oberbozen, wo er von Kriminalrat a.D. Gamper erwartet wurde.
    Als er dem Ex-Kriminaler berichtete, dass er den Fall abgeschlossen habe und zu keinen weiteren Ergebnissen gekommen sei, schwankte dieser sichtbar zwischen Erleichterung und Enttäuschung.
    Gamper sagte, dass er froh sei, damals keine gravierenden Ermittlungsfehler begangen zu haben. Aber er gab gleichzeitig zu, dass er sich über ein anderes Ergebnis nicht gewundert hätte. Der Besuch des Barons habe seinen Jagdinstinkt geweckt. Und irgendwas käme ihm komisch vor, aber er komme einfach nicht darauf.
    Emilio klopfte ihm vertrauensselig auf die Schulter. Ihm wäre es genauso gegangen, aber sie hätten sich eben beide getäuscht. Er sei hier, um sich bei Gamper für die Informationen zu bedanken. In einer Plastiktüte hatte Emilio aus Steixners Weinkeller eine Magnumflasche von Manincor dabei, die er Gamper überreichte. Sie unterhielten sich noch eine Weile über Belanglosigkeiten. Emilio war schon am Gehen, um mit der nächsten Gondel ins Tal zu fahren, da holte er zwei Fotos mit der grell geschminkten Königin der Nacht aus der Plastiktüte und zeigte sie dem Kriminaler. Die Bilder habe er im Nachlass von Niki gefunden. Offenbar sei das eine Bekannte des Verstorbenen gewesen. Seine Mutter würde gerne wissen, wer das sei.
    Gamper musste grinsen. Da habe Niki aber einen schlechten Umgang gehabt, sagte er. Zwar kenne er die Person nicht, aber dass diese Drag Queen ein schlimmer Finger sei, sehe man sofort. Gamper schaute sich die beiden Fotos genauer an. Er legte die Stirn in Falten, dann nickte er. Zumindest wisse er, wo die Aufnahmen entstanden seien. Das wäre ein übler Vorort von Verona, der für seinen illegalen Straßenstrich bekannt sei und für Bars und Hinterhofkneipen, in denen es keine Tabus gäbe. Gamper nannte den Namen des Rotlichtviertels und gab Emilio den dringenden Rat, Nikis Mutter nichts davon zu erzählen und diese «Dame» schleunigst zu vergessen.

[zur Inhaltsübersicht]
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    Obwohl Marco in Bozen geboren und in Südtirol aufgewachsen war, obwohl er Deutsch wie Italienisch sprach, was unter Zuwanderern aus Süditalien die Ausnahme war, vergaß er nie seine Herkunft. Er war stolz auf seine Familie in Kalabrien und pflegte den Kontakt zu seinen Verwandten. Deshalb hatte es auch nur einen Telefonanruf bei seinem Onkel gekostet, um sich die Möglichkeit zu sichern, dort unterzutauchen. Wenn ihn ein Norditaliener terrone schimpfte, was gleichbedeutend mit «Erdfresser» war und ein Schimpfwort für Süditaliener, dann spielte er nicht etwa den Südtiroler, sondern polierte dem polentone die Fresse. Auch hatte er das Prinzip der Vendetta verinnerlicht, bei dem Ehrverletzungen mit dem Tod geahndet wurden. Er war ganz entschieden ein Befürworter der Blutrache – auch wenn im aktuellen Fall weniger die Familienehre, sondern sein ganz persönliches Selbstwertgefühl Schaden genommen hatte.
    Sein Verstand sagte ihm, dass er sich zurückhalten und den Baron in Ruhe lassen sollte. Sein Stolz aber forderte Genugtuung. Er musste nur noch entscheiden, ob er den Mann, der ihn im Weinberg erniedrigt hatte, wirklich umbringen oder nur ordentlich verprügeln sollte. Da ihm das Arschloch aber auch sein ganzes Geschäft vernichtet hatte und damit seine Träume von einer sorglosen Zukunft, ging es nicht nur um die Ehre. Er wusste genau, was seine süditalienische Verwandtschaft tun würde. Sein Entschluss war gefasst. Da konnte ihn seine Schwester noch so oft in den Arm nehmen.
    Blieb das Problem, dass er keine Ahnung hatte, wo sich der Baron aufhielt. Das letzte Mal hatte er ihn per Zufall vor Puttmengers Haus abgepasst und war ihm einfach nachgefahren. Da er nun wusste, dass der Mann auch für Steixner arbeitete, hatte er eine zweite Adresse, die Villa in Terlan kannte er bereits. Oder der Baron war zurück nach Deutschland gefahren. Was er nicht hoffte.
    Marco wog die Chancen ab, seine Erpressungen trotz allem fortzusetzen. Natürlich

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