Tod On The Rocks
und zuckte mit den Schultern.
Macht nichts, dachte er. Jetzt steht mir jedenfalls nicht der Sinn danach, sie anzurufen. Ich werde ihr die gute Nachricht auf der Party heute abend überbringen. Sie wird bestimmt überglücklich sein, und dann werden die Leute von der Presse und vom Fernsehen eine Menge Aufnahmen von ihnen machen.
Er schüttelte die Eiswürfel in seinem Glas. Wer wei ß , m ö glicherweise wird man mich ab heute abend als den wahren Nachfolger von Sherlock Holmes betrachten.
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Geraldine stand vor dem Spiegel und steckte eine Brosche an ihr hochgeschlossenes schwarzes Taftkleid. Normalerweise trug sie keinerlei Schmuck, aber zu Ehren Pop-Pops hatte sie entschieden, dass heute der richtige Abend sei, um ein wenig Silber anzulegen. Sie besa ß das Kleid schon seit ü ber zwanzig Jahren und trug es zu den wenigen formalen Anlässen, an denen sie teilnahm.
Heute hatte sie ihre Rede geschrieben. Dazu hatte sie sich widerwillig von seinem Tagebuch losrei ß en m ü ssen, aber im Laufe des Nachmittags hatte die Vorfreude auf den Abend immer st ä rker von ihr Besitz ergriffen. Endlich würde Pop-Pop ein wenig der Anerkennung bekommen, die er verdiente. Ganz Aspen würde die Ohren spitzen und zur Kenntnis nehmen, was er für die Stadt getan hatte, denn sie würde keines seiner Verdienste unerwähnt lassen. Sie hatten ihr nicht gesagt, wie lang ihre Rede werden sollte, aber sie würden es sicher nicht wagen, den Versuch zu machen, sie mitten in ihrer Ansprache zu unterbrechen, dachte sie.
Geraldine trug zur Feier des Tages ein wenig Lippenstift auf und betrachtete ihr Spiegelbild. Kaum zu glauben, dass ich f ü nfundsiebzig bin, dachte sie. Ich f ü hle mich so viel j ü nger und habe doch so viel Traurigkeit empfunden, dass sie f ü r drei Leben ausreichen w ü rde. Nicht, dass da nicht auch gute Zeiten gewesen w ä ren. Aber die Festtage waren immer ein wenig davon überschattet, dass ich keine Familie hatte.
Gut, dass ich eine solche Nervens ä ge bin, dachte sie, andernfalls w ü rde ich hier herumsitzen und mich selbst bemitleiden. Es ist mit Sicherheit besser, Rip van Winkle anzuschreien, als still in meinem Kämmerlein vor mich hin zu weinen. Natürlich hatte er noch nicht zurückgerufen. Wo zum Teufel war er, und was machte er eigentlich?
Geraldine nahm ihre silberne Bürste in die Hand und strich ein paar Haarsträhnen in ihren Knoten. Wenn wenigstens mein Bruder Charles geheiratet und Kinder gehabt hätte, dachte sie, dann hätte ich jetzt jemanden, den ich verwöhnen könnte. Und jemanden, der heute abend bei mir wäre. Pop-Pop wird öffentlich geehrt, und ich bin die einzige Verwandte, der es vergönnt ist, sich im Glanz dieser Ehrung zu sonnen.
Wenigstens kann ich meine Energien und meine Liebe auf diese Stadt konzentrieren. Ich könnte ein Vermögen für diesen Beasley bekommen, aber ich brauche es nicht. Ich werde bis zu meinem Lebensende mehr als genug Geld haben. Wahrscheinlich sollte ich mich nicht beklagen. Mein Lebenswerk wird eben darin bestehen, dass ich den Namen Spoonfellow lebendig erhalte, indem ich das neue Museum unterst ü tze und den ganzen Krempel im Schuppen f ü r den guten Zweck stifte. Das gro ß e Fest am Neujahrstag, an dem Pop-Pops Gem ä lde ü bergeben wird, wird nur der Anfang sein.
Sie legte die Haarbürste wieder auf die Frisierkommode zurück, nahm eine Parfümflasche in die Hand, die, seitdem ihr Freund im letzten Jahr gestorben war, unberührt auf demselben Zierdeckchen gestanden hatte, und lächelte. Normalerweise benutze ich das Zeug nicht mehr, aber heute abend ... Warum eigentlich nicht? dachte sie. Ich habe mich schon seit langer Zeit nicht mehr mit meinem Äu ß eren besch ä ftigt, doch heute, na ja, mir ist eben einfach danach. Sie lockerte den Stehkragen ihres Kleides, schob die Flasche unter den Taftstoff und drückte ein paarmal auf die Spraypumpe. Danach benetzte sie noch ihre Handgelenke und sprühte ein wenig von dem Duftstoff auf ihr Kleid.
Sie warf noch einmal einen prüfenden Blick auf ihre zartrosa geschminkten Lippen und lächelte. Noch bin ich nicht tot, dachte sie. Wer wei ß , was f ü r aufregende Ereignisse dieser Abend mir bringen wird?
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Um einundzwanzig Uhr gab es keinen Zweifel mehr, dass die Party ein gro ß er Erfolg war. Louis strahlte angesichts der vielen Komplimente ü ber das Restaurant und die Gem ä lde. Das Portr ä t von Ludwig XVIII. wurde allgemein bewundert, und Louis, der Hotelbesitzer, wurde nun von allen »
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