Tod sei Dank: Roman (German Edition)
Linda war sehr fordernd (»Auf den Stuhl … Stillhalten … Stillhalten … Bettkante … Stillhalten … Jetzt darfst du dich bewegen. Schneller … Schneller … Raus! Hand! Nicht hier! Nein da, du Schwachkopf! Da, sage ich! Da!«) und Will war nicht danach zumute, sich herumkommandieren zu lassen. Während der sechzig sorgsam choreografierten Minuten voll kräftezehrender Akrobatik konnte Will an nichts anderes denken als daran, wie lange es wohl dauern mochte, bis sie fertig war.
Endlich gab Linda ein unschönes Stöhnen von sich und rutschte von ihm herunter.
Die Uhr tickt, dachte Will, während er sich den Schweiß und andere Flüssigkeiten mit einem Papiertaschentuch von der Brust wischte. Er würde dem Privatdetektiv noch eine Woche geben und dann nach einem anderen Weg suchen.
Er war müde. Er musste auf Toilette. Ob sie ihm, wenn er sie zu gehen bäte, wieder wehtun würde?
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Kapitel zwanzig
Als Cynthia und Preston in Glasgow am Flughafen eintrafen, weinte ihnen der Regen sein Lied vor. So hatte er es in Cynthias Erinnerung in dieser Stadt immer getan. Siehst du, schien der Regen zu sagen, ich zermürbe dich mit meinem Dauertropfen.
»Dir bleiben eine Stunde und fünfzig Minuten«, sagte sie zu Preston. »Gib mir Geld für ein Zimmer im Marriot – ich melde mich da als Cynthia Jones an. Jetzt beeil dich! Dir bleiben noch eine Stunde und neununddreißig Minuten.«
Preston hatte es immer geschafft, seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Er hatte zwar noch nie Heroin gekauft, aber das konnte in Glasgow ja wohl nicht allzu schwierig sein. Also sagte er dem Taxifahrer, dass er am Rand der Gorbals anhalten solle, setzte eine Baseballmütze auf und stieg aus. Cynthia fuhr mit dem Taxi weiter in ihr Innenstadthotel.
Hmm, dachte er, als er an neu eröffneten Geschäften vorbeischlenderte und jeden Passanten sorgfältig musterte: alleinerziehende Mutter, vielleicht ein Autodieb, Prostituierte, Sozialarbeiter, Sozialarbeiter, Sozialarbeiter, Kinder, die die Schule schwänzen … Wo waren die Drogendealer? Oder war dies der modernisierte Teil? Tatsächlich war ein Hochhaus am Straßenrand erst kürzlich gesprengt worden, und schicke Apartmenthäuser säumten mehrere Straßen rund um das Einkaufsviertel. Er ging weiter. Es konnte wohl kaum sein, dass in den Gorbals, den berühmten, gefährlichen, schmutzigen, von Armut gebeutelten Gorbals, keine Drogen mehr erhältlich waren.
Er kam am Ärztezentrum vorbei, am Wohnungsamt, an der Sozialfürsorge, ehe er ein zweimal zwei Blocks großes Brachland erreichte, auf dem die meisten Gebäude abgerissen worden waren. Na bitte!, dachte er, als er ein Grüppchen junger Krawallmacher sah, die vor einem der wenigen verbliebenen Gebäude herumlungerten. Er lächelte, als er die Straße überquerte, um seinen Einkauf zu tätigen.
Die fünf Jungs waren um die achtzehn Jahre alt, und ihre Uniform bestand aus Kapuzenjacken und Jeans. Sie unterhielten sich laut in einem Akzent, den Preston nur schwer verstand. Als er sich näherte, gelang es ihm, zwei Wörter auszumachen: »Schwuchtel« und »Alter«.
»Hallo«, sagte Preston. »Wie geht es euch denn so?«
Diesmal verstand er noch ein drittes Wort: »Fotze«.
»Ich frage mich, ob ihr vielleicht Stoff habt.« Preston war stolz auf sich: Er stellte gerade seine Ghettotauglichkeit unter Beweis.
»Wer will das wissen?«
»Preston MacMillan«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen und ohne groß darüber nachzudenken, dass er gerade seinen richtigen Namen genannt hatte. Diese Jungs würden sowieso niemals mit der Polizei sprechen. Sie standen auf derselben Seite wie er.
»Waswillstnhabn?« Das war der Größte der fünf.
»Zwei Beutel Heroin«, antwortete er.
Der junge Typ bedeutete Preston, ihm zu folgen. Preston fiel auf, dass sie vor einer Polizeiwache standen. Vielleicht hielten die Jungs das für sicherer. Oder vielleicht zogen sie es vor, nicht allzu weit gehen zu müssen, wenn sie verhaftet wurden.
Preston und der junge Typ gingen an einer schönen alten Kapelle vorbei, überquerten ein weiteres Stück Brachland und betraten ein Hochhaus. In der Eingangshalle gab es Überwachungskameras, und Preston hielt den Kopf gesenkt, damit die Mütze sein Gesicht verdeckte. Doch im Grunde machte er sich keine allzu großen Sorgen. Selbst wenn sein Gesicht sichtbar wäre – wie wollte man ihn jemals aufspüren? Die Polizei hatte ihn noch nie fotografiert, und seine Fingerabdrücke besaß sie auch
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