Tod to go (Crime Shorties)
Sie hätten ihn da hineingestopft. Der Mann dreht sich um und verschwindet in der Nacht.
Und mein Urgroßvater kriegt noch mehr Angst, denn eigentlich sollten alle sieben Mumienkästen doch beim Gendarm in der Zelle liegen.
Am nächsten Tag geht es los. Da sei unter amtlicher Aufsicht ein Mumienkasten gestohlen worden und nun verschwunden und sogar der arme Gendarm wird beschuldigt, in dunkle Geschäfte verwickelt zu sein.
Mein Großvater ist völlig am Boden zerstört. Hat aus Versehen einen umgebracht, hat die Leiche am Hals, einen verschwundenen Mumienkasten obendrein und weiß nicht aus noch ein.
Auch wenn es ein Unfall war, ein Toter ist nun mal ein Toter, und wer soll ihm schon glauben, wo er wegen Strandräuberei verwarnt und wegen Steineschmeißens und Majestätsbeleidigung vorbestraft ist.
Er versteckt also die Obermaat-Mumie samt Mumienkasten im Keller zwischen den anderen Kisten. Irgendwann werden die ja schließlich abgeholt, denkt er. Da sollen sie den toten Obermaat doch gleich mitnehmen.
Seltsame Dinge passieren zu dieser Zeit auf Norderney. Es ist, als wäre ein unsichtbarer Geldregen über die Insel niedergegangen.
Einige Wochen später wird die Spielbank fertiggestellt, für die der Bürgermeister angeblich kein Geld hatte. Und für den Bahnhof wird plötzlich der Grundstein gelegt.
Ein Bahnhof?
Auch der alte Lukas kann sich da keinen Reim drauf machen. Bis heute hat der Bahnhof keinen Zug gesehen, und ich weiß das genau, schließlich bin ich hier seit 30 Jahren so eine Art Bahnhofsvorsteher. Ich sortiere die Fahrpläne vom Festland ein, hänge Plakate auf und mähe den Rasen. Nein, einen Zug gibt es hier nicht, gibt ja nicht mal Gleise auf der Insel. Und so ein Zug rutscht schließlich nicht über das Gras.
Doch das bekümmerte Lukas nicht, das war Politik, da herrschen eigene Sitten. Lukas brennt die Mumie unter den Nägeln. Die liegt zwar im Apothekerkeller, aber trotzdem.
Und dann kommt der große Tag. Der Schatz samt Mumie wird von finsteren Gestalten auf Kutschen verladen. Bei Niedrigwasser fahren sie übers Watt zum Priel, der die Insel vom Festland trennt.
Die ungeübten Kutscher verirren sich in der mondlosen Nacht und werden vom auflaufenden Wasser überrascht. Die durch Schreie und Lichtsignale aufmerksam gewordenen Männer aus Norderney kommen zu spät. Die Kutscher und ihre Pferde ertrinken. Nur die Holzkutschen mit dem Schatz und der Mumie schwimmen im Wasser. Also schaffen die Männer all die Altertümer zurück in den Keller des Apothekers.
Und da sollte er nun bleiben. Für die nächsten 170 Jahre. Ein Klacks für die alten Ägypter. Die rechnen in ganz anderen Dimensionen.
Immer häufiger genehmigten sich in den folgenden Jahren die Adligen gegen Bezahlung einen gruseligen Ausflug in den Apothekerkeller. Und schließlich ist der alte Lukas doch ganz nervös geworden. Erzählte ihm doch einer von dem englischen Zeitvertreib, zusammen mit Gästen nach dem Abendbrot eine Mumie auszuwickeln.
Was ist, wenn … Nein, loswerden konnte er den toten Obermaat samt Mumienkasten nicht, also passte er auf sie auf. Er wurde Norderneyer Museumsdirektor. Abteilung Altes Ägypten.
Klar, er wird sich seinen Reim gemacht haben, vom Versicherungsbetrug und all den anderen Machenschaften. Doch schließlich hatte er eine Leiche im Keller und da schwieg man lieber. Schließlich hat er keine Sehnsucht nach dem Zuchthaus.
Und jetzt der Archäologe! Gestern kommt ein Anruf vom Wrackmuseum in Cuxhaven. Ja, er ist auf der richtigen Spur. Er bedrängt Jessen und der sagt, gefunden hab ich die Dinger. Strandgut. Der Archäologe sagt: Unmöglich.
»Die Sphinx und die Mumie haben einen unschätzbaren Wert.«
Jessen schlägt vor, den neugierigen Archäologen beiseite zu schaffen. Vielleicht ist noch Platz im Mumienkasten, sagt Jessen. Fällt doch gar nicht auf, wenn da zwei Skelette drin liegen. Und wer weiß schon von den Altertümern? Und dass früher all das Eintrittsgeld der Adligen und Neugierigen in die Insel investiert wurden. Hätte Jahrzehnte kein Hahn mehr danach gekräht. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges verebbte der Besucherstrom im Norderneyer Kellermuseum. Und irgendwann ist Gras über die Sache gewachsen. Niemand fragte mehr nach dem Schatz. Die Leute hatten nur noch Schlachten und Heldenspielen im Kopf.
Dabei wurden die Gäste hier richtig gut versorgt. In einer der Kisten hatte der Urgroßvater des Apothekers eine andere Mumie entdeckt. Sitzend. Und
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