Tod to go (Crime Shorties)
Keller herausgekommen? Hatten die Eltern ihr schwachsinniges Kind umgebracht? Und was hatte das mit dem Vorstandsmitglied der Kirchengemeinde zu tun? War Isa vielleicht sein Kind?
Mit einer Kamera, die ein Gast in Sams Hotel vergessen hatte, schoss ich ein paar Bilder.
Zurück in meinem Heizungskeller, drückte Sam sich ein Taschentuch vor das Gesicht. Dabei war der Heizölgeruch an diesem Abend kaum wahrnehmbar.
»Isa ein uneheliches Kind, dass man umbringt? Glaub ich nicht. Das regelt man heute anders«, sagte er.
»Aber auf einer Insel? Das ist hier wie in Niederbayern. Ein ehrenhafter Mann, der seinen Ruf retten will, bringt in Panik das Kind einfach um. Hauptsache der Nachbar merkt nichts.«
»Was ist mit der Mutter? Und warum wurde der Vater, der deiner Meinung nach nur Stiefvater war ... also warum wurde der umgebracht?”, fragte Sam.
»Keine Ahnung. Fragen wir mal.”
»Wen fragen?”
»Die Heiligen Drei König«, sagte ich.
*
Ich stand in einer Vorgartenidylle. Um diese Jahreszeit alles etwas kahl. Ein schweres Dong-Dong rollte durch das Haus, als ich auf den Knopf drückte.
Sören Quedjens war auch im richtigen Leben ein stattlicher Mann. Großgewachsen, aufrecht und mit seinem imponierenden Bart baute er sich vor mir auf.
»Etwas Kleingeld?« begrüßte er mich und zog sein Portemonnaie hinter seiner Strickjacke hervor.
»Nein danke, am Ende werde ich noch überfallen.«
Er sah mich verdutzt an und sagte: »Tut mir leid, aber ich habe gar nichts zu Essen im Haus.«
Ich zog das Bündel Fotos aus meinem Jutesack.
»Und?”
Quedjens nahm mir die Aufnahmen aus der Hand und blätterte sie betont gleichgültig durch. Mit scharfer Stimme und ohne mich anzusehen sagte er plötzlich: »Wo haben Sie das her?«
»Gefunden. In einem Keller.«
»Und? Was wollen Sie?«
Plötzlich wieselte ein Rauhaarterrier um seine Beine und schnupperte neugierig in meine Richtung.
»Schön brav sein, Lucy. Sitz.« Lucy setzte sich.
»Und wer sind die anderen Heiligen aus dem Morgenland?«, fragte ich.
»Was?”
»Na, die mit Myrrhe und Weihrauch und einem Kreuz in der Hand?”
»Sehen aus wie der Assistent vom Chorleiter und der Kassenwart«, sagte Quedjchens. »Sind, nein ... waren alle im Vorstand der Kirchengemeinde.” Er stierte auf das Bild. »Der Kassenwart ist tot.«
Dabei hatte der gemalte Kassenwart mit dem Kassenwart aus dem Gemeindeblättchen gar keine Ähnlichkeit.
Bei dem Allerweltsgesicht hatte der Typ nicht mal Ähnlichkeit mit sich selbst.
»Das war’s dann wohl?«, sagte Quedjens und knallte mir die Tür vor der Nase zu. Der Hund bellte erschrocken auf.
*
»Wenn er sich zwanzig Jahre nicht zu seiner Tochter bekannt hat, wird er es auch jetzt nicht tun. Warum sollte er? Nur, weil ein abgerissener Penner an seiner Tür mit dem Foto von einer Kinderzeichnung auftaucht?«
Sam mochte keinen Ärger.
»Aber wie ist sie gestorben? Warum wurde sie nicht richtig begraben. Und wer hat ihren Stiefvater umgebracht?«
»Das mit dem Stiefvater ist doch reine Spekulation.«
So unrecht hatte Sam nicht mal. Ich stocherte im Nebel herum und bastelte an wilden Theorien. Einerseits ging mich das gar nichts an, andererseits landet so eine Hand doch nicht von ungefähr in meinem Keller. Das ist ein Wink direkt vom Schicksal und da muss man sich hinstellen und sagen »Guten Tag Schicksal« und »Wie geht’s denn so?« und »Was gibt es denn heute zu tun?«
In meinem brummenden Schädel tauchte zwischen den Gedankenfetzen immer wieder dieses Bild auf. Das Kreuz, das über der Babykrippe schwebte und das Isa immer wieder gemalt hatte. Aber welche Bedeutung hatte es für sie gehabt? Fühlte sie sich davon bedroht? Oder verfolgt?
Was hatte ich schon zu verlieren?
Ich klingelte also bei Isas Mutter. Heikedine Paulsen öffnete die Tür. Sie hatte verweinte Augen.
Als ich sagte, dass es um ihre Tochter gehe, nickte sie ergeben, als würde ich ihr gleich Handschellen anlegen. Als ich ihr das Foto von ihrer Kellerwand in die Hand drückte, nickte sie erneut und trat zur Seite.
»Das Kreuz, es ...« Ihre Stimme erstickte, dann brach sie in hemmungsloses Schluchzen aus.
Unter Tränen berichtete sie, dass Isa das Kreuz am Strand gefunden hätte. Der Sand musste es Hunderte von Jahren im Schlick aufbewahrt haben. Wahrscheinlich hatte es in eine Kirche gehört, die bei der großen Mandränke, in der Marcellusnacht 1342 von den Fluten ins Meer geholt wurde. Die Gezeiten mussten es nach all den
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