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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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über das Holzgitter und sah dabei zum Fenster. Dann ließ er das Auto zu Boden fallen und blieb mit ausdrucklosem Gesicht stehen.
    »Ich würde gern mal hineinsehen, in deine Welt«, sagte er zu dem Kind.
    Lea hatte sich in den letzten Tagen verändert. Sie erschien ihm bedrückt, dann wieder geheimnisvoll. Erklären konnte er sich das nicht. Sie hatte gefragt, was er von »Verwandtschaft« hielte.
    Hatte sie denn nicht gemerkt, dass er ihr die Geschichte mit der Adoption nicht glaubte? Sie musste doch spüren, dass sie solche Märchen gar nicht nötig hatte. Sie waren ein Paar. Liebten sich. Wie Bruder und Schwester. Und wie Mann und Frau. Vollkommen egal. Das war wichtig.
    Jan war zwar nur der Ersatzvater, aber er liebte den Jungen wie sein eigenes Kind. Sie waren eine Familie, sie hatten denselben Nachnamen. War es möglich, dass sich der leibliche Vater des Jungen gemeldet hatte?
    Lea saß über ihrem Tagebuch. Sie schrieb mit einem Füller, wischte sich immer wieder die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Manchmal stöhnte sie kurz auf, sagte »Ach nein«, oder »Himmel«, dann wieder strich sie einige Sätze oder Worte wieder durch.
    Er hätte gerne in ihren Gedanken gelesen, doch sie versteckte das Tagebuch. Unter einer Fußbodenbohle in der Küche. Er wusste davon, hineingesehen hatte er nie. Lea brauchte ihre Privatsphäre. Er respektierte das.
    Du musst das durchstehen, dachte er.
    Gerade, als er zur Tür hinauswollte, klingelte das Telefon. Claasen.
    »Es wird gemunkelt, dass du den Hof verkaufen willst. Du musst nichts dazu sagen, aber wenn es so ist, dann kann ich dir ein Angebot machen.«
    Der Hund wollte billig an seinen Hof. Da hatte er etwas gesehen und jetzt ... nein, das würde wohl nie aufhören. Erst der Alte, jetzt Claasen. Und Claasen hatte ihn am Haken. Wie einen seiner verdammten zappelnden Aale. Warum hatte er ihn an der Mole so spät bemerkt.
    Vielleicht sollte er ihn zur Seite nehmen. Vertraulich mit ihm reden. Ihm alles erklären. Aber Claasen mit seinen Witzen über die Debilen!
    Als er Lea auf den Verkauf des Hofes ansprach, sah sie traurig von ihrem Tagebuch auf. Sie schloss die Seiten und strich mit der Handfläche über den rauen Ledereinband.
    »Ich hab schon davon gehört, dass du weg willst«, sagte sie. Sie machte eine Pause. »Warum erfahre ich das erst jetzt?«
    »Vielleicht ist es besser.«
    »Ich fühle mich wohl hier, ich will nicht weg.«
    »Wenn es nur darum ginge.«
    »Haben wir finanzielle Schwierigkeiten?«
    »Nein, nein«, sagte er.
    »Aber was ist es dann?«
    »Die Leute ...«
    »Ja?«
    »Nichts.«
    »Was ist mit den Leuten?«
    »Nichts«, sagte er.
    Er wollte nicht über den Alten reden. Vielleicht hatte er auch Lea aufgesucht. Gewundert hätte ihn das nicht. Diese Parasiten versuchten immer, möglichst viele Stellen anzusaugen.
    Eine schnarrende Stimme hatte der gehabt. Über die Vergangenheit hatte er geredet und über seine Eltern. Und über die Nachkriegszeit. Den Hunger, die Flüchtlinge, die Einquartierungen. Was ging ihn das an?
    Ja, so begannen Erpresser ihre Arbeit. Sie erzählten eine Geschichte, und plötzlich war man darin verstrickt. Vielleicht hätte er sich anhören sollen, was der Alte für sein Schweigen verlangt hätte. Dafür, dass er Lea und ihn in Ruhe ließ. Einfach nur in Ruhe ließ. Aber Erpresser sind unersättlich. Das wusste er aus dem Fernsehen. Wenn man denen den kleinen Finger gab, dann fraßen sie einen mit Haut und Haaren.
    Lea weinte.
    »Ich weiß nicht, was mit dir los ist«, sagte sie. »Du bist so anders.«
    Er streifte sich die Stiefel über. Ja, er hätte so gerne mit ihr gesprochen. Ihr alles erklärt. Auch das mit dem alten Mann. Aber er durfte sie nicht aufregen.
    Möglich, dass sie inzwischen selbst ihr Adoptionsmärchen glaubte.«
    Er hatte keine andere Wahl gehabt. Ein Mann muss sich verteidigen. Und seine Familie. Außerdem: Was wäre aus Alexander geworden? Ohne Familie. Ein Heim? Ja, genaugenommen hatte er aus Liebe getötet. Und Lea? Der Spott der Leute hätte sie umgebracht. Nein, er musste Lea schützen. Unbedingt.
    »Ich geh noch ein wenig spazieren«, sagte er.
    Die Dämmerung war hereingebrochen. Vor dem Fischrestaurant parkte ein dänischer Touristenbus. Die älteren Fahrgäste standen geduldig Schlange. Eine Sechzigjährige balancierte ein Tablett mit Fischbrötchen über den Parkplatz. Sie trug Radlerhosen, weiße Turnschuhe und um den Kopf ein lilafarbenes Stirnband. Als sie die Treppe zum Bus hinaufstieg, wurde

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