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Tod und Leidenschaft (German Edition)

Tod und Leidenschaft (German Edition)

Titel: Tod und Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Norton
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nicht weniger, alleine im Inneren herrschte die unangenehme Ruhe einer einsamen Insel in einem tosenden Meer.
    Ohne Kundschaft zog sich die Zeit dahin wie kalter Haferbrei. Immer angestrengter lauschte Elizabeth, ob nicht Mister Lewinsky bald rufen würde, dass sie absperren könne.
    Machte sich der Mörder vielleicht wieder bereit?
    Richtete er vielleicht gerade jetzt seine grausigen Mordwerkzeuge?
    Ein kalter Schauer erfasste sie.
    Doch die Morde, wenn es denn mehrere eines Mannes waren, hatten etwas Aufregendes in ihr ansonsten so fades Leben getragen. Einen Hauch von Erregung. Wie viele Jahre ging sie nun schon hier zur Arbeit. Tagein tagaus den gleichen Trott. Von dem einen Nachmittag in der Woche und dem halben Sonntag abgesehen, wo der Laden geschlossen blieb.
    Doch sie wollte nicht undankbar sein. Vor allem, wenn sie bedachte, durch welches Elend sie kam, wenn sie nach Hause ging.
    Zimmer, in denen zehn und mehr Menschen hausten. Von den Nachtasylen abgesehen, wo die Ärmsten einen Platz mieten konnten, wo sie, sich an einem Seil festhaltend im Stehen schlafen konnten.
    Sie dankte ihrem Schöpfer, dass sie nur eine einzige Woche in einem Doss- House hatte zubringen müssen, wo ihre Mutter und die überlebenden drei Geschwister, in hölzernen Kisten liegend die Nächte verbracht hatten, bis sich eine Tante ihrer erbarmt hatte und ihnen ein Zimmer in ihrem Verschlag im Hof gegeben.
    Winzige, düstere Häuser, eins am anderen. In den Hinterhöfen dreckiges Gemüse, das man nicht so oft waschen konnte, dass es sauber wurde. Noch jetzt sah sie die trüben Brühen, in denen klägliche Kohlblätter schwammen und die ein pelziges Gefühl am Gaumen hinterließen, wenn man sie aß.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen bei der Erinnerung an Dreck und Elend in jenen Vierteln. Wie hoch über all dem stand sie jetzt.
    Und wenn sie auch nur ein einziges Zimmerchen bewohnte, für dessen Miete ihr Einkommen gerade so reichte, so war es doch unvergleichlich viel mehr, als all diese Menschen ihr Eigen nennen konnten.
    Dennoch vergaß sie nie, dass sie ganz schnell wieder in jenen Elendsquartieren landen konnte. Von ihrem Lohn etwas zu sparen, war unmöglich. Würde sie also die Stelle bei Mister Lewinsky verlieren und nicht schnellstens eine neue finden (was schwer genug war), mochte sie dort enden, wo die hübsche Jeannette jetzt war.
    „Nun, Miss Elizabeth … Ich denke, wir können es für heute gut sein lassen. Sperren sie ab und gehen sie nach Hause!“
    Sorgfältig verschloss sie die Ladentür mit einem großen Schlüssel, den sie anschließend wieder bei Mr. Lewinsky abgab. Dann nahm sie ihre Schürze ab und legte ihr Cape um.
    „Na? Und? Haben sie heute Abend noch etwas vor, Miss Montgomery? Auf ein Tänzchen mit einem Verehrer? Der Inspector heute, so will es mir durchaus scheinen, ist für eine junge Dame kein unattraktiver junger Mann.“
    „So jung scheint er mir nicht zu sein, Mr. Lewinsky.“
    Der alte Mann lächelte.
    „Höchstens Anfang dreißig, meine Liebe. Sie sollten mit ihm ausgehen!“
    Elizabeth schüttelte in künstlicher Empörung den Kopf. Er zog sie öfter so auf und es war ein kleiner Spaß zwischen ihnen beiden, wenn sie dann sagte: „Der einzige Mann, der wichtig ist in meinem Leben, den kennen sie doch!“
    Worauf Lewinsky immer lachend eine Handbewegung machte, als wolle er eine Fliege verscheuchen.
    „Fort mit ihnen, sie freches Ding! … Und vergessen sie nicht, dass man nur ein Mal jung ist!“
    Das stimmte wohl. Aber es gab nichts, wo sie hingehen konnte, und das nicht unschicklich für eine alleinstehende Frau war.
    Ihre freien Stunden brachte sie meistens in ihrer Stube zu oder ging, bei gutem Wetter, durch einen kleinen Park in der Nähe.
    Wo sich ihre Mutter heute aufhielt, oder ihre Geschwister, wusste sie nicht. Diese Stadt war wie ein giftiger Wind, der Familien auseinandertrieb und nie wieder zusammenfinden ließ.
    Elizabeth fragte sich, auf dem Weg nach Hause, ob sie ihre Geschwister überhaupt wiedererkennen würde, tauchten sie in der Menge auf. Als sie Tobey zum letzten Mal gesehen hatte, war er drei gewesen. Dorothy acht und Albert zwölf.
    Wie unendlich lange das nun her war.
    Sie überquerte die Tower Bridge und marschierte dann quer durch Southwark bis nach Westminster.
    Hier war sie noch nie gewesen. Die Gebäude waren mehr als nur beeindruckend. Am liebsten hätte sie nur gestanden und gestaunt. Die herrlichen Fassaden, die wunderbaren Kutschen. Dazu all die vornehm

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