Tod und Leidenschaft (German Edition)
hatte und las weiter.
„… auf deren Schultern platziert. Dem Vernehmen nach, hat der Mörder diesmal auch Teile … Teile ihrer inneren Organe …“ Ihre Augen eilten ihrer Stimme voraus und ließen sie stocken. „ … herausgeschnitten und … mitgenommen .“
Ihre Blicke trafen sich und verharrten in stummem Entsetzen.
„Nach ersten Berichten der Metropolitan Police handelt es sich bei der so grausam verstümmelten Toten um eine gewisse Annie Chapman, 47 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Es dürfte sich jetzt auch dem letzten Zweifler erschließen, dass das Eastend von einem Serienkiller heimgesucht wird, der wahllos zuschlägt. Es kann schon heute Nacht jede Frau treffen, die sich in Whitechapel aufhält!“
Elizabeth klappte die Zeitung zusammen und ließ sie auf ihrem Schoss ruhen.
„Um Gottes Willen, Mr. Lewinsky …“
Er atmete tief durch und senkte dann seinen Kopf stumm über seine Arbeit.
„Das ist doch unfassbar!“
„Sie sollten sich in Acht nehmen, mein Kind. Jetzt bin ich auch etwas beunruhigt. Heute Abend werden wir den Laden früher schließen. Ich möchte, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sind! Und morgen früh verlassen sie ihre Stube erst, wenn es hell ist! Das gilt bis der Mörder gefasst ist!“
„Denken sie wirklich …“, sie vermochte den Satz nicht zu vollenden.
„Wir wollen auf jeden Fall kein Risiko eingehen. Die eine Kundin, die wir dadurch vielleicht verpassen, ist es nicht wert, dass ihnen etwas zustößt.“
Die Ladenglocke rief Elizabeth nach vorne.
„Aber sie haben ja einen Beschützer!“, rief er hinter ihr her.
„Und wer wäre das?“
„Na, dieser entschlossen aussehende Polizist Harris!“
Elizabeth drohte ihm mit dem Finger. Er hatte ja keine Ahnung, was Harris von ihr dachte und wie er sie abgekanzelt hatte …
Zwar hatte der neuerliche Mord sie schockiert und auch in gewisser Weise geängstigt, aber als dies abgeklungen war, blieb die Hoffnung, jetzt einen Grund zu haben, Harris aufzusuchen, und sei es auch nur unter dem Vorwand, ihm triumphierend die Richtigkeit ihrer Überlegungen bezüglich eines Serienmörders vor Augen zu führen. In Wahrheit wollte sie natürlich nichts anderes, als ihren Ruf wiederherstellen. Sie war eine anständige, hart arbeitende Frau, die sich nichts zu Schulden kommen ließ. Und das sollte dieser bornierte Herr Inspector ruhig wissen!
Die Kundin, eine Frau des Mittelstands, als das ihr dunkles Kleid und der nicht gerade wertvolle Schmuck sie auswies, setzte sich vor den großen Spiegel und ließ sich verschiedene Hauben auf das sorgfältig frisierte Haar setzen, wobei Elizabeth darauf achtete, keine Locke in Unordnung zu bringen.
Doch die Frau achtete kaum auf die diversen Kopfbedeckungen, sie kannte vielmehr nur ein Thema und mit dem war sie sofort herausgeplatzt:
„Haben sie auch schon von diesem fürchterlichen Verbrechen gehört? Unfassbar! Ich sage ihnen: ganz London zittert!“
Elizabeth nickte und führte dabei schweigend die Haubenbänder unter dem Kinn der Kundin zusammen.
„Also mein Bruder ist ja gleich in die Hanley Street gegangen. Er ist ein etwas neugieriger junger Mann, wissen sie? Kein Durchkommen sei da mehr, sagte er. Menschenmassen soweit man sehen kann. Dicht an dicht!“
Sie nickte so heftig, dass die Bänder verrutschten.
„Aber meinem Bruder sieht man ja an, dass er nicht zu diesem Plebs gehört …“ Abermals heftiges Nicken. Elizabeth aber sagte nur: „Gewiss.“
„Nun stellen sie sich vor … mein Bruder steht also da und weiß nicht so recht, was er tun soll … da kommt ein Polizist daher … Und jetzt raten sie … Genau jener, der als erster am Tatort war! Ist das zu glauben?“
„Was für ein Zufall“, erwiderte Elizabeth pflichtschuldig. Dennoch war ihr Interesse geweckt.
„Und er kam mit meinem Bruder ins Gespräch.“
Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Szene sich in Wahrheit zugetragen hatte. Bestimmt hatte der famose Naseweis den armen Polizisten so lange belagert, bis dieser sich nicht mehr zu helfen wusste und Rede und Antwort stand, nur um den aufdringlichen Kerl los zu werden.
„Und stellen sie sich vor, was er meinem Bruder erzählt hat … Also der Mörder hat die Frau komplett aufgeschnitten. Und ihre Organe hat er auf ihr verteilt. Es muss ein frauenvoller Anblick gewesen sein. Eine Prostituierte natürlich … Sie verstehen?“
„Ja, gewiss.“ Bis jetzt hatte sie nichts gehört, was sie nicht schon aus der
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