Tod und Leidenschaft (German Edition)
Zeitung wusste. Davon abgesehen, dass es wieder eine Hure getroffen hatte.
„Sie war wohl schon ganz schön runter gekommen, hat der Polizist gesagt. Wäre wohl eh bald gestorben. Die Lunge, wissen sie? Ja, ja. Das ist der Lebenswandel, sage ich ihnen. Die unteren Klassen – und das weiß man ja – die verfallen der Trunksucht. Dann arbeiten sie nicht mehr, bekommen einen Haufen Kinder, lassen alles verlottern und dann …“
Sie hob die fülligen Schultern und ließ sie wieder herabfallen.
„Gin ist der Satan unserer Zeit, sage ich ihnen. Da muss man etwas unternehmen. Also ich bin ja Temperenzlerin. In mein Haus kommt kein Tropfen Alkohol. Was meinen sie, was meine Köchin da immer jammert. Nicht mal den Weihnachtspudding kann sie ordentlich machen, klagt sie immer. Aber ich frage sie … soll ich oben den Schnaps verbieten und ihn vom Personal trinken lassen?“
„Natürlich nicht.“
„Eben.“ Entschlossenes Nicken. „Aber ich sage ihnen – man muss sich jetzt um die niederen Klassen kümmern. Da wurde ja viel versäumt. Nehmen sie nur all die Juden und Iren, die in unser schönes London strömen. Man kann sie ja verstehen, die Iren zumindest. Diese fürchterliche Hungersnot … Und bei uns fließen Milch und Honig. Zumindest in deren Augen.“
Elizabeth dachte an ihre ungeheizte Kammer und die zu engen Stiefel. Milch und Honig …
„Aber wenn man dann schon herkommt … man erhält Obdach, kommt in Lohn und Brot … muss man sich dann nicht dankbar zeigen? Und was tun diese Leute? Rotten sich zusammen, sprengen Löcher in Scotland Yard, demonstrieren und versuchen ihre Gesinnungsganoven freizubomben. Dabei … die Iren sind ja beinahe noch sowas wie Unsereins … aber die Juden … kommen aus Russland. Behaupten, sie würden dort verfolgt … Ich bitte sie … Verfolgt … Was sollte wohl der Zar davon haben, diesen merkwürdigen Leuten nachzustellen?“
Elizabeth fragte sich langsam, was dieser ganze Redeschwall mit den Whitechapel- Morden zu tun hatte. Vor allem fürchtete sie, die Kundin werde nicht mehr zu den Informationen zurückfinden, die der Polizist ihrem Bruder übermittelt hatte.
„Nein, nein … In meinen Augen hat man das Eastend schon viel zu lange sich selbst überlassen. Da muss einfach durchgegriffen werden, wenn sie mich fragen. Es sind ja unhaltbare Zustände.“
„Vielleicht hat der Mörder da ja etwas in Bewegung gebracht …“, versuchte Elizabeth die Unterhaltung wieder auf die richtige Spur zu lenken.
„Bitte?“
„Na ja … Jetzt wird man sich vielleicht der Gegend annehmen … Jetzt, wo ganz London auf Whitechapel schaut.“
„Das könnte allerdings sein. Also der Polizist meinte auch, dass der Mörder ein Ire oder ein Jude sein müsse. Auf jeden Fall sei es etwas Politisches.“
„Etwas Politisches?“ Elizabeth war ehrlich verblüfft.
„Aber natürlich doch! Irgend so ein Sozialist, der die Massen aufstacheln will.“ Die Kundin presste die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der üppigen Brust.
„Sie denken an einen Bürgerkrieg im Eastend?“
Die Frau lehnte sich Elizabeth entgegen und sah sie verschwörerisch an.
„Der Polizist sagte meinem Bruder … aber das ist jetzt ganz im Vertrauen … Es ist sozusagen … geheim! … man geht von höchster Stelle davon aus, dass die Morde deswegen so grausam sind, weil man Unruhe stiften will. Es soll zu Aufständen kommen!“
So beschränkt diese Frau auch geistig war, so kam Elizabeth doch nicht umhin, dieser These zuzustimmen.
„Da kann etwas dran sein … Aber wer würde sich überwinden, so grausam zu handeln?“
Jetzt richtete sich die Kundin sehr gerade auf, wippte mit dem Kopf leicht hin und her und machte nur:
„Eastend … ich bitte sie …“
X
„Dotty … du bist das verdammt hübscheste Weib, das ich je gesehen habe …“ Der dunkelhaarige Mann beugte sich über die üppige Brünette, deren Dekolleté mehr als nur bemerkenswert war.
Er drückte ihr einen Kuss auf die volle Rundung ihrer Brüste und sie warf lachend den Kopf in den Nacken.
„Haaaach … komm her Weib, auf dass ich dich besteige!“ Seine Muskeln trat unter den hochgerollten Ärmeln empor als er sie packte und hochhob.
Dotty kreischte lachend auf und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Das Lachen wandelte sich in Kichern, als er sie auf das kärgliche Bett fallen ließ, das im Prinzip nur aus einem hölzernen Rahm bestand, der mit Stroh gefüllt war über das man ein paar Laken gebreitet
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