Tod und Leidenschaft (German Edition)
fremden Federn zu schmücken!
Und diese Idioten glauben es auch noch. Und dann dieser Name. Wie aus einem billigen Groschenroman für Küchenmädchen.
Nun gut, ich sollte mich beruhigen. Niemand wird diesem Blödsinn größere Aufmerksamkeit schenken.
Niemals würde ich mich zu so einem Geschreibsel herablassen. Meine Taten sprechen für sich!
Aber etwas ist mir beim Lesen der Zeitungen aufgegangen: alleine die Tatsache, mit welchem Hunger die Öffentlichkeit jedes noch so winzige Detail aufnimmt, wie es sie dürstet nach Neuigkeiten, ist Beweis genug, dass man – verborgen hinter aller spießbürgerlicher Empörung – meine Intention teilt.
Ich kann die Artikel nicht mehr zählen, die sich mit dem Zustand im Eastend befassen. Ja, jetzt heulen sie die Moralisten. Aber haben … nein … haben möchten sie das Geschmeiß in ihren gutbürgerlichen Vierteln auch nicht. Sie liegen nachts in ihren Betten und danken ihrem Schöpfer, dass sie in Ruhe leben können. Dass ich den Müll entsorge, der sich in London angesammelt hat, bevor er zu ihnen hinüber schwappen kann.
Und sie wissen so gut wie ich, dass das Eastend aus allen Nähten platzt. Dass es nicht mehr lange dauert, und der menschliche Abfall breitet sich wie ein Krebsgeschwür in ihre Straßen aus.
Alle diese guten Untertanen Ihrer Majestät sind meine stillen Unterstützer. Und wenn sie könnten, würden sie neben mir stehen, wenn ich mir eine vorknöpfe und würden mir applaudieren! So sieht es doch aus!
Aber ich habe ihren Applaus nicht nötig. Ich stehe für mich selbst! Und ich stehe auch über diesen Schmierfinken, die sich jämmerliche Namen ausdenken und es nötig haben, sich auf meine Kosten zu brüsten.
Ich sammle die Zeitungen vor mir zu einem ordentlichen Stoß zusammen und werfe sie in den Ascheimer. Geschmier!
Stattdessen konzentriere ich mich auf meine Aufgabe.
Noch habe ich das Zeichen, die Vorahnung nicht. Aber es naht. Ich spüre es. Den Druck in meinem Innern, der wie ein leises, fernes Wettergrollen beginnt und dann mit jedem Tag intensiver wird.
Was mich zu Beginn noch ängstigte, erfüllt mich inzwischen mit Zuversicht. Ähnlich einem Bauern, der das Wetter beobachtet und dem herannahenden Sturm mit Ruhe entgegensieht, da er sein Hab und Gut wohl gesichert weiß.
Dieser Druck in meinem Innern ist ja auch nichts anderes, als die Reflektion jener höheren Macht, die mir meine Aufgabe auferlegt hat. Die mich als ihr Werkzeug ausgewählt hat und es so trefflich schützt. Nicht nur im übertragenen Sinn, sondern ganz handfest mittels des Ordens.
Ja, ich bin ein glücklicher Mensch. Was kann es besseres geben, als die Zufriedenheit mit sich selbst? Nichts!
Das Grollen in meinem Innern, der Druck in meinem Magen, den mein Blut in jede noch so entfernte Stelle meines Organismus trägt, wächst an. Ich beobachte es und weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich mich morgens erhebe und mir sage: HEUTE!
X
Die Teestube bestand nur aus einem einzigen kleinen Raum. Der Theke gegenüber standen mehrere kleine Tische und Stühle und in der Auslage standen Kuchen, Torten und kleine Gebäcke.
Elizabeth hatte Geburtstag und wenn den schon sonst niemand feierte, konnte sie wenigstens hier sitzen und sich eine Tasse Tee und ein Stück Mandarinencreme- Torte gönnen.
Es war ihr freier Tag und sie hatte ihr bestes Kleid angezogen. Dazu eine neue Haube, die Mr. Lewinsky ihr geschenkt hatte. Er hatte an ihren Ehrentag gedacht und das freute sie außerordentlich. Dennoch saß sie jetzt alleine und das Fehlen von Freundinnen in ihrem Leben wurde ihr schmerzhafter bewusst denn je. Wie schön es doch wäre, hier in lustiger zu sitzen, zu schwatzen und Kuchen zu essen …
Etwas verträumt blickte sie aus dem Fenster mit den aufgemalten, geschwungenen Buchstaben und stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn jetzt zufällig Inspector Harris draußen vorbeiliefe, sie sehe und dann hereinkäme.
Doch statt dem gutaussehenden Polizisten schob sich plötzlich eine hochgewachsene Frau in Elizabeth Blickfeld.
Sie hatte ihr dunkles Haar nach hinten gesteckt und trug eine schwarze, gekreppte Haube. Dazu einen langen Mantel mit Pelzbesatz. Offensichtlich hatte sie schon bessere Zeiten gesehen, doch jetzt schaute sie mit hungrigen Augen in Elizabeth Richtung.
Die junge Frau, die da so alleine mit ihrer Torte und dem Tee saß überkam plötzlich der Wunsch, dieser Frau etwas Gutes zu tun. Ihren Geburtstag zu feiern, indem sie teilte.
Ohne groß
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