Tod und Leidenschaft (German Edition)
mit einem merkwürdig debilen Interesse an. Als habe er eine Rolle nur bis zu einem bestimmten Satz gelernt und nicht mehr weiter.
Das war Harris Chance. Die linke Hand auf die Wunde gepresst, warf er mich mit seinem ganzen Körper nach vorne, betete, er möge sich mit dem Abstand nicht verschätzt haben, stieß im Fallen mit dem halb tauben Arm nach vorne und traf den Täter mitten in die Kehle.
Dessen Hand fuhr hoch. Seine Augen verdrehten sich und Blut spritzte in einer pumpenden Fontäne aus seinem Hals. Harris suchte Halt. Bruchteile einer Sekunde voller Angst, auf die verletzte Stelle zu fallen. Dann sackte er zu Boden.
Er konnte sich nicht mehr bewegen. Alles war starr an ihm. Ob er jetzt starb? Sah so sein Ende aus? Neben einer ermordeten Hure, in einem heruntergekommenen Mietshaus … Er versuchte, seine Augen offen zu halten, etwas zu rufen, dass man ihn retten käme. Aber seine Lider flackerten nur und seine Stimmbänder gehorchten ihm nicht mehr.
Einzig die Tatsache, dass er dem Mörder ins kalkweiße Gesicht sah, wo alles von Blut verspritzt war, beruhigte ihn. Fragte sich nur, ob er selbst lange genug durchhalten würde, bis Rettung käme.
Zehn Minuten, hatte er ihnen gesagt. Zehn lange Minuten.
X
Der Regen hatte eine Zeitlang ausgesetzt und seitdem waren bereits zwei Kundinnen hereingekommen. Beide hatten sich vergleichsweise kostspielige Hauben gekauft und Elizabeth war förmlich aufgeblüht.
Das musste ihr Glückstag sein.
Sie war zufrieden mit sich und der Welt, als sie mit bandagiertem Fuß (Mr. Lewinsky hatte ihr eine hervorragende Salbe gegeben) den Weg nach Westminster antrat.
Sogar ein paar Sonnenstrahlen stahlen sich durch die dicken Wolken. Die Luft war klarer als gewöhnlich und es würde noch lange hell sein.
Als sie aber in Scotland Yard ankam, erwartete sie eine böse Überraschung.
Der Polizist, den sie am Eingang nach Inspector Harris fragte, machte sofort eine düstere Miene, die nicht alleine daher rührte, dass er Zivilisten immer mit Argwohn betrachtete, sondern vielmehr weil …
„Inspector Harris … wurde verletzt.“
Seine Lippen rieben aufeinander und Elizabeth starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Verletzt? Was heißt das?“
Sein Kehlkopf wanderte schnell auf und ab.
„Er wurde im Einsatz schwer verletzt.“
Ihr Blut sackte aus dem Kopf in ihre Füße. Ihre Haut sich gleichsam von ihrem Fleisch abzuheben und ihr Nacken wurde eiskalt.
„Was ist mit ihm?“
Ihre Stimme war so gepresst, dass sie kaum noch einen Klang hatte. Sie suchte mit einer Hand nach Halt, den sie nicht fand.
„Er …“ Elizabeth fürchtete, seine Worte nicht zu verstehen, da das Blut derartig laut in ihren Ohren rauschte, dass sie kaum noch hören konnte.
„… liegt im St. Thomas Hospital.“
In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wollte nicht hören, was geschehen war und musste es doch.
„Wie geht es ihm? Was ist passiert?“
„Ein Mann hat auf ihn eingestochen, nachdem er eine Frau bereits getötet hatte.“
Auf keinen Fall durfte sie sich jetzt eine Blöße geben, auch wenn sie das Gefühl hatte, wahnsinnig zu werden vor Angst. Bilder wie Blitze schossen durch ihren Verstand. Harris – blutüberströmt am Boden liegend. Ein irrwitziger Killer über den Wehrlosen gebeugt …
„Und jetzt? Ich meine – wie geht es ihm?“
„Ich kann es ihnen nicht sagen, Miss. Ich weiß nur, dass man ihn operiert hat.“
„Aber er lebt …?“ Die Frage war so schnell über ihre Lippen geglitten, dass ihre Furcht sie nicht mehr hatte aufhalten können.
„Sie haben ihn lebend ins Krankenhaus gebracht.“
Er sah so bekümmert aus, dass es Elizabeths Herz zuschnürte.
„Wissen sie, wie ich in dieses Krankenhaus komme?“
Der Polizist beschrieb ihr, wie sie gehen musste und schon eilte sie hinaus. Es war beinahe drückend schwül geworden und die Bluse klebte an Brust und Rücken, als sie vor den hochgereckten weißen Mauern mit dem imposanten Mittelturm ankam. Das Gebäude ähnelte eher einem Palast, als einem Krankenhaus.
So schnell sie konnte, durchquerte sie den kleinen Garten mit den säuberlich angelegten Kieswegen. Krankenschwestern in ihren blütenweißen, gestärkten Schürzen und adretten Häubchen geleiteten Patienten und eine von ihnen gab Elizabeth auch Auskunft, wo sie erfahren konnte, wo Inspector Harris sich aufhielt.
Man hatte ihm ein Einzelzimmer zugeteilt und das ließ bereits Elizabeth Herz schneller schlagen, denn es besagte, dass
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