Tod und Leidenschaft (German Edition)
lassen musste, um es zu ergreifen. Eine Technik, die er unzählige Male eingeübt hatte.
Sein Atem ging schneller, als er in das düstere Zwielicht des Treppenhauses trat. Eine Wolke auf Kohle- und Schimmelgeruch nahm ihm fast die Luft. Armut schien überall gleich zu riechen.
Von den Wänden blätterte die alte Farbe.
Er schob sich langsam an der Wand entlang. Lauschte auf jedes Geräusch, das ihm einen Hinweis geben mochte, wo der Täter sich versteckt hielt.
Er betete, dass es nicht im Keller sein möge. Die Dunkelheit dort hätte die Gefahr nur noch mehr erhöht.
Plötzlich drang leises Wimmern an sein Ohr. Unfähig, zu sagen, ob es überhaupt von einem Menschen kam, konzentrierte er sich auf eine Wiederholung.
Und da war es tatsächlich wieder.
„ Halt´s Maul, Fotze!“
Harris hielt seinen eigenen Atem in Schach. Schloss kurz die Augen. Er war also im Erdgeschoss. Die Stimmen waren von links gekommen und da gab es nur eine Wohnung. Vorsichtig schlich er den Gang hinunter in Richtung des Hofdurchgangs. Er konnte nur hoffen, dass wirklich dort Polizisten postiert waren, falls er Täter dort über den Hof zu entkommen versuchen würde.
Auf die Frau, die zwar noch lebte, von der er aber nicht wusste, in welcher Verfassung sie war, konnte er keine Rücksicht nehmen.
Jetzt war nur die Frage, ob er die Tür langsam öffnen sollte, oder schnell.
Harris entschied sich für langsam. Er drehte den Knauf einmal gegen den Uhrzeigersinn. Verriegelt!
Innerlich fluchend stellte er sich blitzschnell auf die neue Situation ein.
Er machte einen großen Schritt zurück und rammte dann, die linke Schulter nach vorne gewendet, gegen das Türblatt.
Splitternd und krachend flog sie aus dem Rahmen.
Mit einem Blick erfasste er die Situation. Die blutüberströmte Frau lag am Boden. Blubberndes Keuchen drang aus ihrer Brust.
Harris schaute sich um. Das Messer hatte er nach vorne gleiten lassen und hielt es jetzt entschlossen zuzustechen, in der Hand.
Vom Täter war nichts zu sehen.
Möbel … Schränke … ob er im Nebenzimmer war? Das Blut pochte in seinen Ohren und er musste gegen den natürlichen Fluchtinstinkt ankämpfen. Er war noch nicht lange genug bei der Polizei, um in solch einem Moment ruhig und überlegt zu handeln. Das Gurgeln der sterbenden Frau irritierte ihn und er hätte sie am liebsten angeherrscht, sie solle ruhig sein, wenn sie nicht wolle, dass er auch gleich so daläge.
Ein Scharren. Aber er konnte es unmöglich lokalisieren. Würde er die Flucht versuchen? Harris ärgerte sich, dass er sich auf das Wort des Polizisten verlassen hatte, dass das Haus umstellt sei. Er hätte sich davon überzeugen müssen.
Aber jetzt war es zu spät. Sein Magen drehte sich, dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen. Er spürte, dass ihm Schweiß aus der Stirn brach.
Gerade wischte er mit dem Ärmel über sein Gesicht, als krachend etwas gegen ihn flog. Der Gegenstand traf ihn irgendwo zwischen Brust und Schulter und lähmte für einen Moment seinen rechten Arm.
Für einen entscheidenden Moment.
Mühsam versuchte er seine Konzentration auf den Angreifer zu richten und nicht auf den Schmerz in seinem Körper.
Der Mann war etwas über mittelgroß und sportlich gebaut. Seine Augen funkelten wild, als er jetzt auf Harris zusetzte.
Der Polizist vermochte gerade noch, sich zur Seite zu drücken, als die lange Klinge in seine Richtung schoss. Er nutzte die Sekunde, die der Mann brauchte, um sich wieder auf sicheren Abstand zurückzuziehen und stach nun seinerseits zu.
Das Messer drang in den Arm des Anderen ein.
Als sich dessen Ärmel dunkel verfärbte, erfasste ihn Hoffnung, den Täter soweit kampfunfähig gemacht zu haben, dass er es schaffen mochte, diesen festzunehmen. Doch er hatte sich getäuscht. Zwar fehlte diesem offensichtlich die Kraft, ein weiteres Mal mit solchem Schwung zuzustoßen, doch er machte einen federnden Sprung nach vorne, ähnlich einem Fechter, und diesmal traf ihn die Klinge.
Ein scharfer Schmerz. Wuchtig. Brennend. Harris schrie auf. Schock und Qual mischten sich, als er sah, wie heftig er aus der Seite blutete. Schweiß durchfeuchtete sein Hemd und er hörte sich selbst röcheln.
Doch in diesem Augenblick funktionierte Harris nur noch. Sein Geist schaltete Schmerz und Angst aus. Er trat aus sich selbst heraus und sein Körper agierte wie eine Maschine.
Der Täter, wohl in der irrigen Annahme, er habe den Polizisten ausgeschaltet, blieb regungslos stehen. Er starrte Blut und Wunde
Weitere Kostenlose Bücher