Tod und Leidenschaft (German Edition)
an sein Bett und setzte sich. Sie ergriff seine Hand und tat nichts weiter, als ihn anzusehen.
X
Der Mann war groß und schlank. Der schwarze Anzug passte zu seinen fast schwarzen Augen und dem an den Enden gezwirbelten Bart. Er ähnelte dem verstorbenen Prinzgemahl Albert, wie Finn fand. Er hatte das eine oder andere Bild des seit Jahren betrauerten Ehemannes Ihrer Majestät gesehen und konnte sich dieses Eindrucks nicht erwehren.
Er hatte noch kein Wort gesagt. Genauso wenig wie der Mann, den er beschützen sollte.
Finn hatte gelernt, dass es einem das Leben retten konnte, wenn man schwieg. Den anderen aus der Deckung kommen ließ.
„Finn McClusky?“ In seiner Stimme schwang ein starker Akzent. Russe oder Pole, schätzte Finn, wenn er den Akzent mit jenen verglich, die er allenthalben in Whitechapel hörte.
„Ja, Sir.“
„Du bist also für mein Leben verantwortlich?“
„Ja, Sir.“
Seine Haltung war kerzengerade und alleine schon an der wertvollen Kleidung erkannte Finn, dass er es mit keinem schlichten Russen, oder Polen zu tun hatte.
„Ich weiß noch nicht, wie lange dein Auftrag dauern wird. Meine Abreise hängt von verschiedenen Faktoren ab.“
Finn schwieg weiter.
„Du wirst ein Zimmer in meinem Apartment beziehen. Dann bist du Tag und Nacht um mich herum. Steig ein!“
Die mächtige schwarze Kutsche hatte direkt neben ihnen gehalten. Wütende Rufe begleiteten den Vorgang, denn sie hielten so den dichten Verkehr auf, der sich Stunde um Stunde durch die viel zu enge Gasse schob.
„Macht euch fort, ihr Idioten!“
„Geht das nicht schneller?“, brüllte es um sie herum. Doch sowohl sein Auftraggeber, als auch dessen Kutscher verhielten sich so, als seien sie vollkommen alleine auf der Welt.
Das düstere Innere der Kutsche ließ Finn für einen Moment innehalten. Er verharrte auf der untersten Trittstufe, die Hände am geöffneten Schlag.
„Was ist?“ Er hörte nur noch die Stimme. Der Mann war nur noch ein Schatten im Schatten.
Finn riss sich zusammen und stieg ein. Er hatte sich immer eingebildet, dass er nicht abergläubisch sei, aber in diesem Moment schrie ihm sein Instinkt entgegen, zu verschwinden. Zu rennen. Sein Heil in der Menschenmasse zu suchen, die sich an ihnen vorbeischob.
In dieser Kutsche bedeutete alles Gefahr. Und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit empfand Finn McClusky Angst.
Dass er sich fragte, wen – oder was – ein solcher Mann fürchten mochte, dass er einen Beschützer brauchte, was ihnen also allen drohte, machte seine Situation nicht besser.
Doch eine Mischung aus Neugier und der Erinnerung an Hunger und Armut, ließen ihn seine Bedenken beiseite wischen und einsteigen.
Er hatte sich noch nicht gesetzt, als die Kutsche auch schon ruckend anfuhr.
Sein Auftraggeber sagte kein Wort. Die Stille um sie herum war drückend und schwer. Und auch das Gefühl, er solle einfach aus der Kutsche springen und davonlaufen ließ nicht nach. Drängte es ihn auch, sein Gegenüber zu beobachten, hielt er seine Blicke starr nach draußen gerichtet und konzentrierte sie auf die Menschen und Stimmen, die sich ihm darboten.
Finn schien jedes Gefühl für die Zeit verloren zu haben, als die Kutsche bremste und mit einem Ruck zum Stehen kam.
Der Kutscher sprang ab und öffnete den Schlag. Finn stieg zuerst aus und kontrollierte mit Blicken die Straße. Es war eine vornehme Gegend. Elegante Häuser reihten sich aneinander mit schwarzen Eisengittern vor jenen Treppen, die in die Souterrains und zu den Gesinderäumen führten.
Die Eingangstür jenes Hauses, das sein Auftraggeber ansteuerte, war schwarz lackiert und hatte einen messingfarbenen Türklopfer in Form eines Löwenkopfes. Darüber lag ein Spruchband: „Nemo me impune lacessit!“ Finn hatte keinen blassen Schimmer, was diese Worte bedeuteten.
Der Mann im schwarzen Anzug benutzte aber nicht den Türklopfer, sondern einen eisernen Stab, der rechts von der Tür angebracht war und eine Klingel in Gang setzte, die man leise im Inneren des Hauses hörte.
Im nächsten Moment wurde bereits geöffnet.
Ein Butler verbeugte sich tief und begrüßte sie.
Alles in diesem Haus verströmte Reichtum. Die marmornen Böden, die Gemälde mit Jagdszenen an den Wänden, die gewaltigen Vasen und die üppigen, schwer duftenden Blumenarrangements.
„Henderson … zeigen sie ihm sein Zimmer!“, sagte sein Auftraggeber und zu Finn gewandt: „Ich lasse sie rufen, wenn ich auszugehen plane.“
Der Butler führte ihn in den
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