Tod und Leidenschaft (German Edition)
die Füße eines Passanten (Elizabeth hatte einen entschlossenen Schritt nach hinten gemacht), der daraufhin bitterböse zu zetern begann.
Das Mädchen wischte ihre Hand an ihrer zerlumpten Schürze ab und erwiderte die Flüche des Mannes.
Elizabeth verstand kein Wort, aber sie würde genau dieses Mädchen fragen!
So folgte sie ihr in den Innenhof, wo sie erneut Wasser in ihren Bottich pumpte und sodann begann, die Stufen zu einem der Hinterhäuser zu schrubben.
„Bist du Russin?“, fragte Elizabeth und das kniende Mädchen drehte sich zu ihr um. Ihr Gesicht war hochrot von der Anstrengung und sie blies eine Locke aus ihrer Stirn.
„Wer will das wissen?“, kam die ablehnende Gegenfrage.
„Mein Name ist Elizabeth und ich suche eine Russin.“
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, beugte das Mädchen wieder herab und schrubbte weiter den rauen Boden, indem sie ihren löchrigen Putzlappen mit beiden Händen vor und zurück schob.
„Nun? Bist du Russin? Kannst du mir helfen?“
Das Mädchen seufzte laut und schleuderte den Lappen platschend in den Bottich. Sie rieb ihre Stirn mit dem Handrücken.
Jetzt bemerkte Elizabeth die tiefen Schatten unter ihren Augen.
Ihre dicken Röcke unter sich festziehend, setzte sich das Mädchen schwer auf die oberste Stufe.
„Dir chelfen?“, sagte sie mit schwerem Akzent.
„Ja. Bitte.“
„Hm“, war alles was sie zu hören bekam. Doch sie ließ sich nicht entmutigen und zog ihre Zeichnung hervor.
„Hier … das Bild … kennst du das?“
Im nächsten Moment sprang das Mädchen auf die Füße, stemmte die Fäuste in die Hüften und knurrte: „Wer bist … du?“
Elizabeth jubelte innerlich. Alleine diese Frage war der Beleg, dass sie den richtigen Riecher gehabt hatte. Ihre Augen funkelten.
„Ein Mann mit diesem Bild auf dem Arm war in dem Laden, in dem ich arbeite.“ Sie bemühte sich, langsam und betont zu sprechen, denn sie hatte Zweifel, dass das Mädchen sie sonst verstehen könne.
Jetzt sah sie aus wie eine angriffslustige Löwin.
„Ich will wissen, was es damit auf sich hat.“
„Ich nix weiß, Madame.“
Sie drehte sich um und wollte gerade in dem Eingang verschwinden, den sie zuvor geputzt hatte, als Elizabeth sie blitzschnell am Arm packte und aufhielt.
Ein warnender Blick zuckte von ihrer Hand zu ihrem Gesicht.
„Lass … mich … los!“, zischte das Mädchen mit kehligen Lauten.
Doch Elizabeth gab nicht so schnell auf.
„Bitte … ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen … aber ich muss wissen, was das zu bedeuten hat … Es ist ungeheuer wichtig!“ Den letzten Worten mischte sie einen flehentlichen Ton bei, von dem sie hoffte, dass er das Mädchen umstimmen werde.
Ihre Hand wurde grob abgeschüttelt.
„Du lassen Finger von dies Mann! Gefährliches Mann! Du sonst tott!“ Das Mädchen hob den rechten Daumen an ihren Hals und simulierte einen Schnitt durch ihre Kehle.
Elizabeth schrak zurück.
„Ist es etwas Politisches?“ Sie sprach jetzt schneller, denn sie wusste nicht, wie lange sie sie noch würde halten können.
„Ein Geheimbund?“, setzte sie nach.
„Da“, machte das Mädchen und nickte.
Ein Geheimbund also. Wie sie vermutet hatte. Doch wo mochte die Verbindung zum Ripper sein?
„Jack the Ripper?“ Sie flüsterte nur noch, als könne alleine das Aussprechen des Namens das Phantom des Grauens herbeirufen.
Die Augen der jungen Frau weiteten sich und die Schatten wurden noch tiefer.
„Ich nix weiß. Hörst? Ich nix weiß! Gar nix!“ Sie beugte sich dicht vor Elizabeth Gesicht. „Gar nix!“, wiederholte sie. Dann griff sie nach dem Bottich, eilte nach drinnen und knallte die Tür zu. Elizabeth hörte nur noch, wie sie diese von innen verriegelte.
War das nun Hinweis genug? Würde Harris das genügen?
Sie musste es versuchen. Schnell steckte sie die Zeichnung ein und schlug den Weg in Richtung seiner Wohnung ein.
So schnell es ihre wunden Füße und das Gedränge auf den Straßen zuließ, eilte sie voran. Sie schwitzte und schämte sich ein wenig ihres mit Sicherheit sehr aufgelösten Äußeren, als sie endlich vor jener Adresse stand, die Inspector Abberline ihr genannt hatte.
Die Eingangstüre war offen, doch als sie vor seiner Wohnungstür stand, rührte sich nichts.
Jetzt konnte sie nichts mehr tun, als auf ihn zu warten. Also setzte sie sich auf den obersten Treppenabsatz und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
X
Er hatte den Besuch bei Adelaide schon viel zu lange vor sich
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