Tod und Leidenschaft (German Edition)
Tisch lagen.
Ihre Linke ruhte achtlos auf den Entwürfen.
„Deine Arbeit lässt dir nicht viel Zeit, wie?“, setzte Adelaide das Gespräch wieder in Gang.
„Nun … ja. Da hast du schon Recht. Es ist halt sehr schwierig.“
Sie nickte.
„Ich höre, die Bluthunde sind im Nebel verschwunden und nicht mehr wieder aufgetaucht …“
Harris schüttelte verwirrt den Kopf.
„Nein. Nein, das war eine Zeitungsente. Die Hunde sind wohlauf. Aber die Kosten für die beiden Tiere waren zu hoch. Der Züchter wollte sie uns verkaufen, aber das Innenministerium hat abgelehnt.“
„Ah ja … Man darf halt nicht alles glauben, was so geschrieben wird. Wir waren alle sehr beeindruckt von den Berichten, dass du den Ripper gefangen hast … Aber das war ja auch nur eine … wie nennst du es … Zeitungsente.“
Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag. Plötzlich spürte er Wut auf Adelaide in sich aufsteigen.
So würde es mit Sicherheit immer weitergehen, wenn er sie heiratete. So lange, bis sie ihn da hatte, wo sie ihn haben wollte.
Er räusperte sich.
„Nun ja … Ich muss mich auch wieder verabschieden …“ Er versagte! Aber wenn er jetzt gesagt hätte, was zu sagen war, wäre es in einen unschönen Streit ausgeartet. Zu gut kannte er Adelaide, wenn sie in streitbarer Stimmung war.
„Schon? Ich dachte … Aber gut. Du musst es wissen. Gehst du nach Hause?“
Er nickte. „Ja, ich habe noch Akten …“
„Gewiss. Wenn ich darf, begleite ich dich noch ein paar Schritte. Ich will noch in die Buchhandlung in der Vincent Row. Das ist ja bei dir um die Ecke.“
„Natürlich.“
Adelaide ließ sich ihr Cape von ihrer beigerufenen Zofe umlegen und ging dann an Harris Seite hinaus.
Weder in der Kutsche, noch vor seiner Tür sprachen sie viel. Der Regen hatte eingesetzt. Harris fühlte sich erdrückt von seiner Unfähigkeit, ihr die Wahrheit zu sagen. Kam sich vor wie ein Junge, der vor dem Zahnarzt Reißaus genommen hatte.
Ohne seine Zustimmung einzuholen, folgte Adelaide Harris ins Innere des Hauses.
„Wenn ich darf, warte ich noch einen Moment, bis der Regen nachgelassen hat“, sagte sie ruhig.
„Du kannst gerne meine Droschke nehmen. Schicke sie dann einfach wieder her.“
„Das ist sehr freundlich von dir. Ich nehme das Angebot gerne an.“
Harris grübelte über Adelaides Wandlung. Mit einem Mal schien es ihm, als habe er eine ganz andere Frau vor sich.
Ob sie ihm etwas sagen wollte? Ob sie genauso wie er gespürt hatte, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft gab?
Vielleicht suchte sie ja in diesem Moment genau wie er nach einer Gelegenheit, diesen schweren Schritt in Worte zu fassen.
Doch sie schwieg, beugte sich lediglich nach vorne und küsste ihn sanft auf den Mund.
Mit dem Rücken zur Treppe stehend, schloss er nur kurz die Augen, fühlte dem Hauch ihrer Lippen nach und stellte fest, dass ihr Kuss nichts, aber auch gar nichts mit jenen Küssen gemein hatte, die er mit Elizabeth tauschte.
„Leb wohl, mein Lieber. Wir freuen uns, wenn du uns besuchen kommst, sobald du die Zeit dafür findest. Mutter braucht dringend ein frisches Opfer wegen unserer Hochzeit.“ Sie lächelte und verschwand.
Harris aber betrat seine Wohnung. Erschöpft und ausgelaugt. Er hatte versagt. Wie so oft.
X
Sie war eingenickt. Den Kopf auf den Armen ruhend, die Knie angezogen, saß sie auf der Treppe.
Hatte Elizabeth sich auch vorgenommen, wach zu bleiben, falls jemand käme, so hatten Müdigkeit und Erschöpfung sie doch schlussendlich übermannt.
Da auch kein anderer Bewohner aufgetaucht war, der sie hätte aus dem Schlummer reißen wollen, war sie in einen schweren, traumlosen Schlaf gefallen.
Es war die Haustür, die ins Schloss fiel, die sie hochschrecken ließ.
Zitterte sie im ersten Moment auch von dem plötzlichen Erwachen, so erfüllte im nächsten Moment größte Vorfreude Elizabeth, als sie Harris Stimme erkannte.
Sie wollte gerade aufstehen, und ihm die Treppe hinunter entgegeneilen, als sie die Frau wahrnahm.
Vorsichtig zog sie sich in den Schatten des Treppengeländers zurück, presste ihre Wange gegen das lackierte Holz und lauschte in die Stille.
Ihre Blicke hatten bald das wertvolle Kleid der Frau, das Cape mit den Reiherfedern und die üppigen Stickereien auf ihrem Rock ausgemacht.
Sie beneidete die Dame sowohl um ihr glänzendes goldenes Haar, wie auch um den milchweißen Teint.
Doch gerade, da sie so im Anblick der vornehmen Dame versunken war, traf sie die Erkenntnis, dass Harris
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