Tod und Leidenschaft (German Edition)
konnte.
Es war einfach alles zu viel.
X
Harris war eine Weile ziellos durch die dicht bevölkerten Straßen des Eastend gewandert, immer auf der Suche nach einem Ort, wo er mit seinen Fragen beginnen konnte.
Elizabeth Zeichnung hielt er in der Hand. Und dies nicht nur, um sie gegebenenfalls schnell vorzeigen zu können, sondern weil sie diese Zeichnung gemacht hatte.
Es tat ihm wohl, etwas von ihr bei sich zu tragen.
Gewiss, er hatte versagt, bei dem Versuch Adelaide alles zu erklären und die Verlobung aufzulösen. Dennoch trug er den festen Vorsatz in sich, dies eher früher denn später zu tun.
Und dann würde er Elizabeth einen Antrag machen. Wie sehr er sie liebte. Sein Körper erfüllte sich mit Wärme, wenn er an sie dachte. Selbst wenn sie wütend wurde, war sie entzückend.
Vielleicht hatte er Adelaide gebraucht, um zu erkennen, wo sein wahres Glück lag. Natürlich hatte er sich damals in sie verliebt. Wer hätte das nicht? Stolz und schön, wie sie war. Der Traum eines jeden Mannes. Dazu intelligent und mit einem gewissen Humor ausgestattet.
Und dass sie seine Gefühle erwiderte, hatte ihn stolz und glücklich gemacht.
Aber etwas hatte gefehlt. Und das hatte er erst erkannt, als er Elizabeth traf: Feuer und Leidenschaft!
Wo Adelaide ein ruhig fließender Strom war, war Elizabeth wogende See. Die Wellen schlugen hoch bei ihr, ihr Temperament konnte das eines Vulkans sein. Wenn sie für etwas kämpfte, kannte sie weder Vorsicht, noch Rücksicht. Etwas Halbes schien es bei ihr nicht zu geben.
Wo Adelaide Bestätigung war, war Elizabeth Herausforderung.
Sie mochte sich wie ein Kätzchen in seiner Gegenwart benehmen – in ihren Augen sah er das Raubtier. Ihr Körper erregte ihn, ihre Küsse brachten sein Blut zum Kochen.
Kurz – er war verrückt nach Elizabeth! Besessen war er von ihr.
Harris sah sie vor sich, wie sie in sein Büro gestürmt war. Wie sie ihn angefaucht hatte, weil sie sich nicht ernst genommen fühlte …
Und dann ihr Mut! Sie forschte und ermittelte wie der Unerschrockenste seiner Männer. Als Frau trieb sie sich im Eastend herum, um etwas in Erfahrung zu bringen. Belauschte sogar ihren Chef und seinen zwielichtigen Besucher.
Bei diesem Gedanken erstarrte Harris.
Sie schwebte noch immer in Gefahr! Und wenn es wirklich ein Verbindungsglied zwischen dem Ripper und Lewinskys Verschwörern gab, dann befand Elizabeth sich in der Höhle des Löwen. Noch dazu, wo der Löwe wissen musste, dass sie nach vor die Verbindung zu ihm, also zu Scotland Yard hatte …
Er hatte keine Wahl. So schnell als möglich musste er herausfinden, was es mit der Tätowierung auf sich hatte. Er musste diesen Bund sprengen. Es gab keine Zeit zu verlieren.
Wo konnte er in dieser Gegend anfangen? Bei einem Arbeiterclub. Dort mochten sich die Exil- Russen treffen.
Harris eilte suchend umher und war bereits kurz davor, aufzugeben, als sein Blick auf ein Gebäude fiel, über dessen Tür ein steinernes Spruchband angebracht war: Club arbeitender junger Männer.
Er trat ein.
Vor ihm lag eine Treppe, die nach oben führte. Nach rechts ging es in einen Schankraum.
Es saß nur ein Gast dort. Der junge Mann trug eine Schiebermütze und ein kariertes Tuch um den Hals gebunden. Seine Arme unter aufgekrempelten Ärmeln war braun verbrannt, ebenso wie sein Gesicht. Er war in ein Buch vertieft.
Eine junge Frau mit schmutziger Schürze und nachlässig unter eine zerdrückte Haube geschobenem Haar polierte Gläser.
Harris trat an den Tresen. Aus müden Augen blickte die Frau ihn mürrisch an.
„Wir chaben noch zu“, knurrte sie mit starkem Akzent.
„Ein Bier werd ich wohl kriegen können, oder?“
Mit zusammengekniffenen Lippen legte sie Lappen und Glas beiseite. Das Tuch war so schmutzig, dass Harris sich fragte, zu was die Poliererei wohl dienen mochte.
Sie zapfte ein Bier und stellte es ihm so grob hin, dass es heftig überschwappte.
Harris legte ihr einen halben Sovereign hin, was das Mädchen erbleichen ließ.
„ Kaan ich nich rausgeben“, sagte sie gepresst.
„Sollst du auch nicht“, erwiderte Harris und schob ihr Elizabeth´ Zeichnung hin. Sie blickte kurz darauf.
„Sie schon zweiter mit das.“
„Noch jemand hat dir das gezeigt?“ Harris Magen zog sich zusammen.
„Ja. Frau kommen und zeigen. Wollen wissen, was ist das.“
„Und?“ Bei dieser Frau konnte es sich um niemand anderen als Elizabeth handeln.
„Ich nix weiß. Ich ihr auch gesagt.“ Ihre Blicke wandten sich dem
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