Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
verwickelten ihn in ein Gespräch. Ich konnte nur vermuten, dass sie sich nach uns erkundigten.
Gülistan schaute unterdessen abermals zu uns herüber. Sie schien eine Art sechsten Sinn zu haben, denn plötzlich rief sie dem Fetten etwas zu, und der stampfte augenblicklich in unsere Richtung.
Ich ließ den Blick über das Armaturenbrett schweifen. Es gab eigentlich nicht viele Knöpfe, aber eindeutig zu viele für jemanden, der noch nie Bus gefahren ist. Zumindest nicht am Steuer.
Ich entschloss mich, auf Nummer sicher zu gehen und drückte sämtliche Knöpfe auf einmal.
Die Tür schloss sich mit einem satten Zischlaut.
Der Dicke begann zu laufen. Die anderen gestikulierten. Der Busfahrer schaute entsetzt drein.
Als ich die Zündung betätigte und den Motor startete, fiel ihm die BILD aus den Händen, und er begann ebenfalls zu gestikulieren.
Ich gab Gas, während ich mit aller Kraft das Lenkrad bediente, um den Bus zu wenden. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn ich es nicht schaffte. Ich hatte keine Ahnung, wie man den Rückwärtsgang einlegte.
Jemand hämmerte gegen die Tür. Es war der Dicke. Mit seinen mächtigen Fäusten bearbeitete er das Blech wie mit einem Dampfhammer.
»Das muss Kemal sein«, sagte Ollie. »Sare hat ihn als den dicksten und jähzornigsten von ihren Brüdern beschrieben.«
Das wutentbrannte Gesicht tauchte vor der Scheibe auf. Er schien sich von außen an den Bus geklammert zu haben.
Es fiel mir schwer, mich aufs Fahren zu konzentrieren. Ich wollte den Jungen nicht unbedingt in Gefahr bringen und lenkte den Bus vorsichtig über den Parkplatz und an den anderen Bussen vorbei.
Mit einer Hand krallte sich Kemal am Außenspiegel fest, in der anderen hielt er plötzlich einen Schlagstock. Trotz seiner Körperfülle schien er erstaunlich gelenkig zu sein. Er holte aus und schlug gegen die Scheibe. Sie bekam tausend Sprünge. Dann, mit zwei, drei weiteren gezielten Schlägen, hatte er das Glas zertrümmert. Ich traute ihm zu, dass er durch die Öffnung klettern könnte, wenngleich das eine sehr sportliche Leistung gewesen wäre.
Aber er verfolgte offenbar einen anderen Plan. Statt des Schlagstocks sah ich plötzlich eine Sprühdose in seiner Hand. Er streckte den Arm ins Innere des Busses und sprühte etwas herein, so was wie Tränengas. Ich selbst war machtlos. Ich saß am Steuer und war zu weit von ihm weg.
Aber Ollie reagierte blitzschnell. Mit einem Schrei stürzte er vor, warf sich trotz des Sprühnebels gegen den ausgestreckten Arm – und schlug Kemal die Zähne in die Hand.
Dieser schrie nun auch. Aber vor Schmerz. Er versuchte, den Arm zurückzuziehen, aber Ollie ließ nicht locker. Erst als die Dose den kraftlosen Fingern des Angreifers entglitt, ließ er los.
Ich hatte genug Rücksicht genommen. Während ich spürte, wie mir das Spray langsam in die Augen kroch, gab ich Gas. Von draußen ertönte ein Schrei. Kemal war offensichtlich abgerutscht. Ein rascher Blick in den Seitenspiegel zeigte mir, dass er auf dem Boden lag und sich dort mit schmerzverzerrtem Gesicht herumwälzte.
Auch Ollie wälzte sich herum. Er hatte am meisten von dem Reizgas abbekommen. Er schrie vor Schmerzen, hustete und röchelte.
Ich selbst sah alles nur noch schemenhaft. Trotzdem bog ich, ohne zu bremsen, auf die Denkmalstraße ein. Diesmal fuhr ich den Berg hinunter, der uns wieder zur Cherusker Grillstube bringen würde.
Undeutlich nahm ich im Türfach eine Flasche wahr. Während ich mit der einen Hand lenkte, führte ich mit der anderen die Flasche zum Mund. Es war lauwarmes Mineralwasser, aber es linderte augenblicklich den Hustenreiz. Ich träufelte mir das Wasser in die Augen. Einen Moment lang sah ich gar nichts mehr. Obwohl ich langsam fuhr und den Bus auf der Fahrbahn hielt, konnte ich nur hoffen, dass uns niemand entgegenkam. Ich wiederholte die Augendusche noch ein paarmal, dann sah ich etwas klarer. Zum Glück hatte Kemal nur eine kleine Ladung versprühen können.
Ich warf die Flasche zu Ollie hin, in der Hoffnung, dass er das Richtige tat. Ich selbst hatte nun alle Hände voll zu tun, den Bus die abschüssige Strecke hinunter nach Detmold zu bugsieren. Die Bremsen quietschten jedes Mal bedrohlich, wenn ich sie betätigte. Ich konnte nur hoffen, dass der TÜV noch nicht allzu lange zurücklag.
In einer Kurve kam mir ein Opel-Fahrer entgegen. Er hupte erschrocken, als ich über den Mittelstreifen fuhr und seiner Karosserie bedrohlich nahe kam.
Als ich
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