Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
erschreckt werden.
Gesagt, getan. Der Teufel wurde wirklich angelockt. Neugierig schaute er in den Spiegel und sah darin eine grässliche Gestalt. Doch anstatt tot umzufallen oder wenigstens zu flüchten, wähnte er in dem Spiegelbild einen Rivalen, der ihm die Spukstätte streitig machen wollte. Also schlug er mit einem Feuerstrahl nach dem vermeintlich anderen Teufel.
Die Spiegelfläche reflektierte aber das Feuer. Es schoss zu seinem Urheber zurück und versengte dem das schwarze Fell. Schreiend flüchtete der Teufel aus dem Haus und ward nie mehr gesehen. Vorher aber verfluchte er sowohl das Ehepaar als auch alle sonstigen Lebewesen in dem Haus.
Die entsetzten Nachbarn fanden später den Mann und die Frau versteinert in ihren Betten liegen. Und im Stall waren ebenfalls alle Schweine in Stein verwandelt. Praktisch und sparsam, wie die Lipper nun mal sind, beratschlagten sie, nachdem sie sich von dem Schock erholt hatten, wie man mit den steinernen Figuren denn nun verfahren sollte. Da Steine immer gebraucht wurden, entschied man sich, diese zum Mauerbau zu verwenden. Nur ein einziges Schwein blieb erhalten. Als Andenken und als Mahnung, sich lieber mit dem Teufel zu arrangieren …
Bevor der jetzige Inhaber, Hannes Junkerfeuerborn, die Gaststätte übernahm, hatte sich das Steinerne Schweinchen über lange Jahre hinweg einen eher zwielichtigen Ruf als Rotlichtbar erworben. Gästezimmer gab es noch immer, und sie waren noch genauso eingerichtet wie damals.
Junkerfeuerborns Verdienst war es, dass er seine eher bodenständige, ruppige Art, die bei den einheimischen Gästen gut ankam, mit der raffinierten Kochkunst seines Maıˆtre verband. Dornfelder kochte seit drei Jahren im Steinernen Schweinchen und hatte in der kurzen Zeit bereits einen Michelin-Stern verliehen bekommen.
Jetzt arbeitete er noch verbissener, um sich den zweiten Stern zu erkochen. Nach allem, was ich wusste, war das jedoch eher unwahrscheinlich. Denn Dornfelders Ambitionen einer eindeutig gehobenen, wenn nicht gar überkandidelten Küche, bot Junkerfeuerborn mit seinen eher einfachen Kreationen Paroli: Mindestens einmal in der Woche stand ein Steckrübeneintopf auf dem Tisch, und auf der Karte behauptete sich Junkerfeuerborns ganz profane Currywurst mit Pommes neben Dornfelders Bretonischer Langoustine im Rauch mit dreierlei Blumenkohl und Algen.
Ich war zwei- oder dreimal im Steinernen Schweinchen gewesen. Das Essen hatte geschmeckt, aber das Publikum war nicht meins.
Hermine lenkte den Porsche auf den nur spärlich besetzten Parkplatz. Neben uns standen ein weiterer Porsche und ein protziger Hummer H1.
»Der Hummer gehört Ackergoldt«, sagte Hermine. »Ackergoldt schmückt sich mit dem Spitznamen ›General‹. Herbert hat mir erzählt, dass der Hummer von einem amerikanischen Militärbauer namens AM General gebaut wurde. Damit kokettiert Ackergoldt ganz gerne.«
»Wenigstens haben wir den Weg hierher nicht umsonst gemacht«, sagte ich.
Wir stiegen aus und näherten uns dem Eingang. Ein steinernes graues Schwein zierte den Eingang. Es war so winzig, dass es eher als Ferkel zu bezeichnen war. Wäre die Legende wahr gewesen, so hätte dies zum Geiz der Lipper gepasst: Warum ein großes Denkmal zurücklassen, wenn es ein ganz kleines auch tut?
Gut, wir hatten den Hermann. Aber Ernst von Bandel, der das Denkmal erbaut hatte, war kein Lipper gewesen, sondern stammte aus Mittelfranken.
Als wir eintraten, schallte uns das übliche, von Besteck- und Porzellangeklirr untermalte Stimmengewirr entgegen. Es roch nach Schweinebraten, Bier und altem Gebälk.
Ein Kellner huschte an uns vorbei, ohne uns zu beachten. Im Steinernen Schweinchen suchte man sich den Platz selbst aus.
Der vordere Raum wirkte wie ein ganz normales Wirtshaus. Hinter der langen Theke thronte Junkerfeuerborn. Er bewegte sich selten. Er saß auf seinem Hocker und dirigierte von dort aus das Personal. Er machte dies vorzüglich, nichts entging seinen wachsamen Augen. Und die Kellner waren auf ihn eingespielt. Manchmal genügte nur eine Geste von ihm, und sie wussten, was er meinte. Es hieß, in seiner Jugend sei Junkerfeuerborn Ringkämpfer gewesen. Sogar zu den Olympischen Spielen habe er es geschafft. Das muss sehr lange her sein, denn mittlerweile war er in die Breite gegangen. Er hätte gut als Wilburs älterer Bruder durchgehen können. Mit dem kahl geschorenen, speckigen Kopf und den großen Segelohren erinnerte er allerdings weniger an einen Tenor als an ein riesiges
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