Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
schon wieder vergessen.
Als Backus schellte, hatte ich schon alles vorbereitet. Das Bier lagerte im Kühlschrank, ebenso wie der Schinkenhäger. Die Gläser standen auf dem Wohnzimmertisch bereit.
Backus kam in Jeans und kariertem Hemd. Ein ganz neuer Anblick. Bisher hatte ich ihn nur im blau-weiß karierten Fleischerkittel kennengelernt. Seine blonden Haare waren nach hinten gekämmt. Sie waren noch feucht. Er roch nach Duschgel.
Als Begrüßungsgeschenk brachte er eine riesige Mortadella mit.
»Leider kein Eigenprodukt«, sagte er bedauernd. »Aber allerbeste Qualität von dem italienischen Verwurster meines Vertrauens. Das Schwein wurde nicht für minderwertige Salami geschaffen, sondern dafür!« Er wies auf den gigantischen Wurstkoloss.
»Jetzt geht’s dafür erst einmal in die Niederungen«, sagte ich seufzend und bat ihn, Platz zu nehmen.
Dann holte ich die eingekaufte Salami aus der Küche. Ich hatte immerhin vierzehn Stück in verschiedenen Supermärkten gekauft, die alle genauso aussahen wie die, die man mir vor die Tür gehängt hatte.
Backus betaste sie der Reihe nach; daraufhin schieden gleich fünf schon im ersten Durchgang als zu weich oder zu hart aus. Blieben noch neun.
»Salami besteht hier in Deutschland entweder aus Schweinefleisch oder aus Rindfleisch. Als Laie willst du gar nicht wissen, was das für Teile sind, die da verarbeitet werden. Offiziell heißt es, Fleisch und Schwarte darf da drin sein. Das ist ein sehr schwammiger Begriff, und deswegen findest du in der Salami auch den größten Müll. Dazu kommt, dass sich nicht jeder Hersteller auch an die Vorgaben hält, und auch Innereien mitverarbeitet.«
»Prost«, sagte ich, und wir stießen an. Backus wischte sich den Schaum vom Mund. Dann fuhr er fort. »Wie gesagt, in Deutschland dürfen nur Schwein oder Rind drin sein. Schwein lobt natürlich kein Mensch aus, Rind schon – also wenn es eine reine Rindersalami ist. Sobald in der Wurst auch noch anderes Fleisch drin ist, muss das deklariert werden.«
Er nahm eine der Würste in die Hand. »Das hier ist eine Geflügelsalami. Deswegen fällt sie für uns schon mal weg. Du hättest nur das Etikett lesen müssen.« Er grinste, und wir stießen abermals an. Diesmal mit dem Schinkenhäger.
Neun kleine Salami, die gaben nicht fein acht,
eine fing der Metzger sich, da waren’s nur noch acht …, dachte ich.
»Ich hoffe, ich klinge nicht zu oberlehrerhaft?«
»Bis jetzt höre ich aufmerksam zu«, antwortete ich.
Er roch an allen acht verbliebenen Würsten. Dann legte er wieder eine beiseite. »Die hier riecht anders. Besser. Ich tippe auf eine luftgetrocknete italienische Salami … Ich habe dir zwar gesagt, dass es sich bei deiner Salami um eine geräucherte und keine luftgetrocknete handelt, aber nicht, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine deutsche Wurst handelt.«
»Und woran merke ich das?«
»Du gar nicht. Entschuldige, aber das ist der Punkt. Der normale Verbraucher wird hier ständig übers Ohr gehauen. Da wird ihm mit einer luftgetrockneten Spezialität aus Italien der Mund wässrig gemacht, und dann dreht man ihm eine überwürzte, dahingeschluderte 08/15-Wurst aus good old germany an.«
Er zuckte mit den breiten Schultern. »Ich rieche so etwas einfach. Das ist die Erfahrung. Die südländischen Salamisorten sind meistens an der Luft getrocknet. Die reifen langsam, meistens über Wochen. Die deutsche Salami wird normalerweise im Schnellverfahren geräuchert. Die riecht auch anders. Irgendwie säuerlich. Und natürlich rauchig. Wegen dem Räuchern. Aber das ist eine andere Geschichte …«
Während ich noch ein Bier holte, ließ ich ihn erzählen. Und er hatte viel zu erzählen. Er dozierte den ganzen Abend lang über seine geliebte Wurst im Allgemeinen und über die Salami im Besonderen.
Je länger der Vortrag und die Verkostung dauerten, desto mehr sträubte sich in mir alles, die Produkte aus dem Supermarkt zu probieren. Ich sehnte mich nach den kulinarischen Genüssen, von denen Backus schwärmte. Zu gerne hätte ich eine Mailänder probiert, deren feinkörnige Fleischmasse aus je einem Drittel Schweinefleisch, Rindfleisch und Speck besteht. Die dank einer ausgewogenen Mischung aus Salz, Pfeffer, Knoblauch und Wein ihren unvergleichlich milden, süßlichen Geschmack erst nach einer Reifezeit von mindestens sechs Monaten entfaltet.
Oder die Greußener Salami aus Thüringen, die Backus in den höchsten Tönen lobte. Von allen deutschen Salamis ist nur die
Weitere Kostenlose Bücher