Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
Besitz nicht trennen.«
»Das wäre auch unmöglich.«
»Aha, und wieso?«
»Weil dort, wo heute das Rübezahl steht, das Heiligtum unserer Schutzpatronin vergraben liegt.«
»Und warum haben Sie Ihren Hof dann hier errichtet?«
»Hier ist mir unsere Schutzpatronin einst erschienen, ja, aber ihr Heiligtum steht seit eh und je an einer anderen Stelle. Auf dem Grund und Boden von Siegwin.«
»Siegwin?«
»Dem Oberst. Er war kurz vor seinem unglücklichen Ende bereit, sich uns anzuschließen, und hatte bereits seinen weltlichen Namen abgelegt. Leider kam es nicht mehr dazu, das Testament zugunsten unseres Ordens zu ändern.«
Was für ein Glück, dachte ich.
»Er war so voller Leben …«
Mutbrecht schwafelte über die Vergangenheit. Ich ließ ihn reden, während ich einen weiteren Blick zu dem Verdächtigen warf. Er saß im Schneidersitz da. Daher waren die Turnschuhe wieder im Schatten seines sackartigen Oberteils verschwunden. Dennoch war ich mir sicher!
Ich schaute mir den Knaben genauer an. Ich schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Sein schmaler Schädel war fast kahl rasiert. Er hatte große abstehende Ohren und einen Dreitagebart.
Plötzlich hob er den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Er hatte einen stechenden, unangenehmen Blick. Ich machte nicht den Fehler wegzuschauen, sondern lächelte ihn freundlich an.
Der Mann lächelte nicht zurück. Seinem Blick entnahm ich, dass er am liebsten noch ein Beil nach mir geworfen hätte. Und zwar jetzt gleich!
»Das ist Blankard«, klärte Mutbrecht mich auf. Offensichtlich war dem alten Fuchs mein Interesse nicht entgangen. Er sprach mit leiser, fast flüsternder Stimme. »Blankard ist eines unserer Sorgenkinder. Er nimmt unsere Mission sehr ernst. Manchmal zu ernst …« Und laut sagte er: »Meinen Sie, dass der junge Dickens in seine Fußstapfen treten könnte?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, dazu ist er noch zu sehr im Weltlichen verhaftet.« Mir kam eine Idee. »Wo genau befindet sich denn das Heiligtum? Ich könnte mich dafür einsetzen, dass Ollie Ihnen das entsprechende Stück Land verkauft.«
»Ein heikles Thema. Im Zuge der Finanzkrise habe ich leider ab und zu auf das falsche Pferd gesetzt. Bitte nehmen Sie das nicht wörtlich. Jedenfalls ist unser Orden im Moment etwas klamm. Aber ich kann mit Naturalien dienen.«
»Naturalien?«
»Almuth hat noch ein paar nette Schwestern«, sagte der Alte listig. Ich musste an den Pakt denken, den mein Vetter Armin und sein Freund Ludwig seinerzeit mit dem alten Bietenstüvel abgeschlossen hatten. 6
»Ich glaube nicht, dass er daran Interesse hätte. Wie gesagt, er ist in festen Händen … Wo, sagten Sie, befindet sich das Heiligtum?«
Mutbrecht grinste. »Den genauen Ort kenne nur ich. Den Lageplan verwahre ich in meinem Herzen.«
»Möge er dort wohlgehütet sein«, sagte ich. »Fremdenverkehr ist eine gute Sache, aber nicht, wenn er vor der eigenen Haustür stattfindet.« Mit Grauen stellte ich mir die Reisebusgesellschaften vor, die bei uns einfallen würden.
»Ich sehe, wir sind in diesem Falle Brüder im Geiste. Aber nicht nur von schändlichen Touristenschwärmen droht Ungemach; die wahre Gefahr lauert woanders. Vor ein paar Wochen kam jemand aus der Stadt, der uns das Land nehmen wollte. Ausgerechnet dort, wo sich das Heiligtum von Thusnelda befindet, sollte eine Schweinemastfabrik entstehen.«
»Nein?«, sagte ich in geheucheltem Entsetzen.
»Doch! Und der Fremde hat viel Geld geboten und meine nicht so standhaften Brüder und Schwestern in Versuchung geführt …«
»Und? Hat er noch einmal versucht, Sie zu überreden?«
»Mehrmals, aber dann haben die Waldtrommeln heute Morgen berichtet, dass dieser Mann tot ist.«
»So, so, die Waldtrommeln also.«
»Der Buschfunk«, lächelte Mutbrecht. »Sie dürfen nicht glauben, nur weil wir weitab vom Schuss leben, wüssten wir nicht, was in der Welt passiert. Jedenfalls ist dieser Mann tot, und ich fürchte, dass die Polizei irgendwann hier auftauchen wird …«
»Vermutlich wird sie das«, pflichtete ich ihm bei.
»Zufällig habe ich letztes Jahr von Ihren Großtaten gelesen.«
»Sie haben es nicht im Buschfunk gehört?«
»Die Zeitung war schon älter. Wir sammeln Altpapier und benutzen es für, äh, gewisse Reinigungsrituale beim Toilettengang. Jedenfalls habe ich dort Ihr Bild gesehen …«
Der Gedanke, dass ein Abbild von mir, und wenn es auch nur ein schnödes Foto war, mit seinem Hinterteil – und noch mehr – in
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