Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
auf den Tisch. »Benutzt gefälligst Euren Grips statt Eurer Trompeten, es kommen mir da zu viele Mißtöne heraus. Wo liegt denn das Problem? Wir beraten gemeinsam eine Sache, und Gerhard, den wir alle schätzen, ein hochgeachteter Bürger dieser Stadt und lieber, enger Freund, mag sich uns nicht anschließen. Sein gutes Recht, sage ich. Wir hätten es wissen sollen, anstatt in seiner Gegenwart so leichtfertige Reden zu führen. Wenn es nun Probleme gibt, dann durch unsere Schuld.«
»Es geht hier nicht um Schuld«, sagte Daniel.
»Doch. Darum geht es das ganze Leben. Aber gut, es ist passiert. Kuno hier reklamiert, in Gerhard einen Freund zu haben, für dessen Verschwiegenheit er sich verbürgt.«
»Das kann er nicht«, stieß Daniel hervor. »Gerhard hat uns klar zu verstehen gegeben, was er von unserem Unterfangen hält.« »Er hat unser Angebot, ihn in die Gruppe aufzunehmen, abgelehnt. Na und? Das heißt noch lange nicht, daß er uns verraten wird.«
Daniel sah mürrisch vor sich hin.
»Na gut, Johann«, seufzte Mathias. »Es heißt aber auch nicht, daß wir irgendwelche Garantien haben. Was schlägst du also vor?«
»Wir reden noch mal mit Gerhard. Prüfen seine Ergebenheit und Treue. So, wie ich ihn einschätze, werden wir danach ruhig schlafen können.« Johann sah zu Kuno herüber, auf dessen Zügen sich ein Anflug von Erleichterung bemerkbar machte. »Ich denke, das wird auch im Interesse unseres jungen Freundes sein.«
»Ich danke Euch«, flüsterte Kuno. »Ihr werdet es gewiß nicht bereuen.«
Johann nickte ernst.
»Dann laßt auch Eure Brüder wissen, daß sie sich keine Sorgen mehr machen sollen.« Der junge Mann zögerte, beugte kurz das Haupt und verließ den Raum. Zurück blieben Johann, Mathias, Daniel und die Frau im Schatten.
Von draußen erklang das schürfende Geräusch eines vorbeirollenden Fuhrwerks. Stimmen drangen schwach nach oben, Fetzen von Konversation. Eine Schar Kinder rannte lärmend und streitend vorbei.
Nach einer Weile sagte Johann tonlos: »Was sollen wir tun, Mutter?«
Die Hände begannen sich zu bewegen. Dürre Finger zuckten, krabbelten übereinander, raschelten in den Falten des schwarzen Brokats wie Spinnen.
Ihre Stimme war nicht mehr als ein Knistern. »Bringt ihn um.«
Die große Mauer
Als Jacop zu dem Platz, den er seinen Wohnsitz nannte, zurücklief, beschloß er kurzfristig, Tilman zu besuchen, einen Freund, der in einer weniger feinen Gegend wohnte.
Die Klassifizierung war ein Witz. Keiner von ihnen wohnte in einer annähernd guten Gegend. Aber unter den Bettlern und Ärmsten der Armen, die nicht mal einen Platz in einem der Hospitäler und Konvente fanden, hatten sich während der letzten Jahre merkwürdige Hierarchien herausgebildet – und dazu gehörte auch das Mauerrecht oder Status muri.
Die Geschichte des Status begann genaugenommen Ende des vorangegangenen Jahrhunderts, als die Kölner aus der schwelenden Feindschaft zwischen Kaiser Barbarossa und Heinrich dem Löwen Konsequenzen zogen, die das Erscheinungsbild der Stadt nachhaltig verändern sollten. Heinrich, Herzog von Sachsen, der Weife war, hatte dem Staufer Barbarossa nämlich kurzerhand die Freundschaft aufgekündigt. Was nichts anderes hieß, als daß Barbarossa seine waffenstarrende Fehde mit Papst Alexander III. gefälligst ohne ihn auszufechten habe.
Das eigentlich Vertrackte an der Sache war, daß der damalige Kölner Erzbischof, Philipp von Heinsberg, in Barbarossas Kriegen fleißig mitmischte und den Löwen nun des Vertrauensbruchs auch gegen ihn bezichtigte. Erfahrungsgemäß führten solche Zwistigkeiten zu Mord und Totschlag, allerdings primär an denen, die für den Schlamassel gar nichts konnten. Für die Bauern machte es also keinen Unterschied, ob das jeweils durchziehende Heer ihrem oder dem feindlichen Herrscher diente. So oder so wurden ihre Frauen vergewaltigt, ihre Kinder erschlagen und sie selber mit den Füßen ins Feuer gehalten, bis sie verrieten, wo ihr bißchen Erspartes war. Ihr Hof wurde niedergebrannt, die Vorräte konfisziert oder an Ort und Stelle aufgegessen, und weil die Soldaten durchaus einsahen, daß ein Bauer ohne Hof nicht überlebensfähig war, hängten sie ihn der Ordnung halber an den nächsten Baum und zogen weiter.
Niemand regte sich groß darüber auf.
Kritischer wurde es allerdings, wenn sich der ständige Hader auf dem Rücken des Klerus entlud. Als Philipp von Heinsberg im Mai 1176 nach Italien zog, hatte der Löwe soeben auf Gegenkurs
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