Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Hof noch im dahinterliegenden Gebäude fand er jemanden. Eine Leiter ragte durch einen Schacht ins Obergeschoß. Es knirschte verdächtig in den Sprossen, als er nach oben kletterte. Das erste, was er sah, waren wieder Ratten. Hier war es allerdings heller, bedingt durch die höhere Lage und fünf breite Fenster zum Rhein hinaus. Vor einiger Zeit war hier ein Kontor gewesen. Jetzt lagen ein paar Bretter herum. Durch einen Riß im Dach tropfte es unablässig herein. Er strich sich das angeklatschte Haar aus der Stirn, trat zu den Fenstern und sah hinaus auf den Fluß. Er erschien ihm wie ein graues, rauhes Wesen, dahinschießende Massen, Strudel und Wirbel im Verlangen, sich aus ihrem viel zu engen Bett zu erheben und nur daran gehindert durch den göttlichen Plan.
Wenn das Wetter anhielt, konnten sie ihn morgen vor den Toren zum Trocknen aufhängen.
Als er wieder herunterstieg, fiel ihm die schmale Pforte an der Rückseite auf, die zum Ufer führte. Auch sie war von innen verriegelt. Er öffnete sie und lief ein Stück auf die Werft hinaus. Der Wind schlug ihm den Mantel um die Beine. Er sah die Lastenschiffe an ihren Tauen zerren, die mit Baumaterial für den neuen Dom vom Drachenfels gekommen waren. Mit lautem Knall flog eine Kiste gleich hinter ihm gegen die Mauer. Zwischen der Dreikönigenpforte und seinem Standort konnte er schwach zwei weitere der schmalen Durchgänge in der Stadtmauer ausmachen, aber sie waren beide verschlossen und mit Sicherheit fest verriegelt. Fluchend lief er wieder ins Innere und verließ den Hof auf ähnlich mühselige Weise, wie er hineingelangt war. Als er keuchend auf der Bayenstraße stand, war er nahe daran, aufzugeben.
Er sah sich um. Einmal stündlich patroullierten Nachtwächter auf dieser Strecke. Jetzt war ihr Licht nirgends zu entdecken. Also weiter.
Dann erlebte er eine Überraschung. Das Tor zum nächsten Innenhof bestand nur noch aus zwei zerfressenen Bohlen, die hinund herschwangen. Eine Mauer weniger, die er zu erklettern hatte. Schnell eilte er hinein. Seine Augen suchten den Hof ab, ohne etwas zu entdecken. Er lief weiter zu dem Gebäude und drückte gegen die Tür. Sie war nur angelehnt und ging viel leichter auf, als er gedacht hatte, so daß er um ein Haar den Halt verloren und hineingestürzt wäre. Rechtzeitig fing er sich und tastete nach seiner Fackel. Hinter ihm schwang die Tür geräuschlos wieder zu. Er wartete, bis das Pech brannte und machte ein paar Schritte nach vorne.
Direkt vor ihm lag ein großer Handkarren. Er sah nicht aus, als gehöre er in einen dieser Trümmerhaufen. Der Boden ringsum war bedeckt mit Tüchern. Das Bild mutete so bizarr an, daß er eine Weile daraufstarrte, bis ihn plötzlich das Gefühl überkam, in das Heulen des Windes mische sich noch etwas anderes, ein schwaches Wimmern wie von einem Kind oder einem verletzten Tier. Unsicher hielt er die Fackel höher und ging an dem Karren vorbei. Der Lichtschein erfaßte eine massive gemauerte Säule, dann noch eine, eine weitere.
Die vierte Säule sah ihn an.
Das Mädchen war mit einer Unzahl von Riemen an den Stein gefesselt worden. Mit Sicherheit konnte sie keinen Finger rühren. Sie war geknebelt, nur die Augen hatte man ihr nicht verbunden. Eine Flut dunkler Locken fiel ihr in die Stirn und über beide Schultern.
Sie bot einen erbarmungswürdigen Anblick, aber trotzdem lachte Kuno triumphierend auf. Er rammte den Griff der Fackel zwischen die Bretter des Handkarrens, eilte zu der Säule und band mit fliegenden Fingern das Tuch von ihrem Mund. Den Knebel dahinter spuckte sie von selber aus.
»Oh Gott!« keuchte sie. Dann sog sie die Lungen voll Luft und hustete. »Ich dachte, ich muß ersticken.«
»Wie heißt Ihr?« fragte Kuno aufgeregt.
»Was?« Sie schüttelte verwirrt den Kopf.
»Schon gut.« Kuno strich ihr beruhigend über die Wange und zog seinen Dolch aus der Gürtelscheide. Rasch zerschnitt er die Riemen, mit denen sie an die Säule gefesselt war. »Ich hole Euch hier raus, habt keine Angst. Ich bin Euer Freund.«
»Mein Freund?«
Sie sackte in die Knie. Kuno fing sie rechtzeitig auf. Immer noch war ihr Körper umwunden von Riemen. Sein Messer fuhr ein ums andere Mal dazwischen. Er arbeitete ruhig und konzentriert, bekam ihre Füße frei, dann ihre Arme. Sie versuchte sofort, auf die Beine zu kommen und stöhnte laut auf. Ihre Gliedmaßen mußten wie abgestorben sein.
»Wartet, ich helfe Euch.«
»Nein!«
Mit zusammengebissenen Zähnen zog sie sich an der
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