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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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störe. Die Schlimmsten lagen in eisernen Ketten. Das Stroh in ihrer Zelle wurde viermal jährlich gewechselt, dann kam auch der Bartscherer, um sie zu rasieren und kahlzuscheren, was im allgemeinen die Anwesenheit kräftiger Männer erforderte. Vereinzelt überantworteten die überforderten Familien ihre Geisteskranken auch den Schaustellern, die vor den Toren der Stadt große hölzerne Verschläge für sie bauten, Tollkisten genannt. Man entrichtete ein paar Heller und durfte dafür dem Sabbern, Grimassenschneiden und den ständigen Anfällen zuschauen, bis man den Spaß leid war.
    So gesehen ging es den Verwirrten im Hospital St. Pantaleon vergleichsweise gut, auch wenn sie mit Lederriemen an die Pritschen gebunden waren und aus eisernen Pfannen aßen. Die Mönche betrachteten sie als gottgegebene Studienobjekte zur Erforschung der Grenze zwischen Wahn und Teufelei, denn die Kenntnis dieser Grenze war von äußerster Wichtigkeit für das Seelenheil der Betroffenen, wandten Benedictionen und andere kirchliche Mittel zur Heilung an und verbuchten hin und wieder sogar Erfolge.
    Zwischen den Pritschen kam ein Mönch mit einer Kerze herbeigeeilt. Offenbar hatte er schon geschlafen. Er rieb sich die Augen und reckte den Kopf vor.
    »Wie, was?« brummte er. »Ah, Bruder Lorenz.«
    »Was hast du gemacht, Henricus?« knurrte der Alte ungnädig.
    »Mich auf die Komplet vorbereitet.«
    »Du hast geschlafen!«
    »Aber nein«, wehrte der Mönch ab. »In tiefer Meditation weilte ich, um –« »Du hast geschlafen. Ich muß es dem Abt sagen.« Der Mönch sah die beiden Besucher über die Schultern des Alten an und verdrehte die Augen. »Gewiß, ehrwürdiger Lorenz, sagt es dem Abt. Seid Ihr deswegen hergekommen?«
    »Bring die Brüder zu Hieronymus, sie wünschen ihn zu sprechen.«
    »Er dürfte schon schlafen.«
    »Dann weck ihn.«
    Jaspar nickte dem Mönch freundlich zu. Er zuckte die Achseln und drehte sich um. »Kommt mit.« Sie folgten ihm durch die Reihen der Pritschen. Die meisten der Verrückten schliefen oder starrten vor sich hin. Einer murmelte unablässig Litaneien von Tiernamen. Als Jacop sich kurz umdrehte, sah er den Alten kopfschüttelnd im Gang verschwinden.
    Aber Hieronymus schlief keineswegs. Er saß auf seiner Pritsche und stocherte in seinem linken Ohr herum. Die Tätigkeit schien ihn aufs höchste in Anspruch zu nehmen, so daß er ihre Ankunft völlig ignorierte. Ein zerschlissenes Jutetuch bedeckte ihn bis zur Hüfte. Wo die Konturen seiner Beine hätten sein müssen, erstreckte es sich flach über die Bettstatt.
    »Hieronymus«, sagte Henricus freundlich und strich dem Alten übers Haar. »Man kommt dich besuchen, schau.«
    Der Greis sah ihn an, ein zahnloses, verbogenes Antlitz mit weißen Stoppeln, und kniff die Augen zusammen.
    »Nicht jetzt«, sagte er.
    »Warum nicht? Es ist lange her, daß du Besuch erhalten hast.«
    Hieronymus bohrte seinen Finger noch tiefer ins Ohr.
    »Laß mich in Ruhe!«
    »Aber Hieronymus, wir haben heute noch nicht zum heiligen Paulus gebetet. Der heilige Paulus wird das nicht mögen. Und nun verschmähst du gar deinen Besuch.«
    »Nein, warte, warte!« schrie Hieronymus plötzlich. »Ich habe ihn, er sitzt in der Falle. Ha! Er glaubt, er kann mir entwischen, hähä. Gleich hab ich dich.«
    Henricus warf ihnen einen vielsagenden Blick zu.
    »Was macht er da?« flüsterte Jaspar.
    »Er ist der festen Überzeugung, daß jemand vor einigen Jahren in das Ohr eingezogen ist. Mit Hausrat und allem Drum und Dran. Im Winter macht er angeblich Feuer, und dann klagt Hieronymus über Ohrenschmerzen.«
    »Warum läßt er ihn nicht einfach da wohnen?«
    Henricus senkte seine Stimme. »Weil der da drin ihm schlimme Geschichten erzählt. Sagt er. Wir haben schon in diversen Büchern nachgeschlagen, da sich hier natürlich die Anwesenheit des Leibhaftigen manifestiert, das ist ganz offensichtlich und für jedes Kind zu sehen! Andererseits, daß der Teufel im Ohr wohnt, ist eigentlich neu.«
    »Er wohnt in der Hölle, und als solche würde ich ein schmerzendes Ohr durchaus bezeichnen.« Jaspar beugte sich zu Hieronymus herunter und zog ihm sanft den Finger heraus.
    »Wir brauchen Eure Hilfe«, sagte er leise. »Hilfe?« Hieronymus schien so verwirrt, daß die Wohnverhältnisse in seinem Ohr vorübergehend seiner Aufmerksamkeit entglitten. »Nun, Ihr seid ein tapferer Mann, Hieronymus. Ihr habt für das Kreuz gekämpft, wißt Ihr noch?« Hieronymus betrachtete Jaspar mißtrauisch und preßte

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