Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
eindringlich. »Ich will keinen Streit. Johann, verzeih mir, wenn ich es an der nötigen Ehrerbietung habe fehlen lassen. Unsere Situation ist schwierig, und ich verstehe, wenn einige von uns den Belastungen der letzten Tage nicht länger standzuhalten glauben. Aber wir alle sind, denke ich, einen zu weiten Weg miteinander gegangen, um jetzt aufzugeben. Ich beschwöre Euch ein letztes Mal, für unseren Plan zu stimmen, mir ein allerletztes Mal zu vertrauen. Ich beschwöre Euch! Morgen werden wir in Jubel ausbrechen, unsere Feinde werden aufschreien, und dann fragt niemand mehr nach irgendwelchen Wichtigtuern, die behaupten, jemand hätte Gerhard in die Tiefe gestoßen. Morgen entsteht eine neue Welt. Ich verspreche Euch zudem, daß Kuno nichts geschehen soll, Urquhart soll ihn lediglich ruhigstellen, bis alles vorüber ist. Ich schwöre bei Gott, daß niemand mehr sterben muß. Glaubt mir! Glaube an unsere Sache, Johann, ich bitte dich. Wir werden triumphieren! Wir werden triumphieren!«
Johann rieb sich die Augen und ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen. »Was meinst du, wohin Kuno und diese Frau geflohen sind?« fragte er müde. »Ich weiß es nicht. Vielleicht zu ihm, vielleicht ins Haus des Dechanten. Oder zu ihr.«
»Wo wohnt sie?«
»Ich werde es herausfinden.«
»Jetzt? Es ist mitten in der Nacht. Urquhart erwartet dich.«
Mathias lächelte dünn. »Ich habe schon ganz andere Sachen in viel kürzerer Zeit herausgefunden.«
Macht
Goddert saß am Feuer, das Kinn auf die Brust gesunken, und schnarchte leise vor sich hin. Neben ihm lag Daniels Schwert. Auf der Kastenbank zwischen der vorderen und der hinteren Stube lag Kuno in tiefer Bewußtlosigkeit. Sie hatten ihn vorsichtig dorthin getragen, weil es der wärmste Platz im Haus war. Es war Jaspar gelungen, den Blutfluß zu stoppen, aber der junge Patrizier war übel zugerichtet.
Sie hielten die Hände vor die Flammen und warteten, daß er zurück ins Leben finden und ihnen verraten würde, warum die Welt sich seit Gerhard Morarts Sturz so fürchterlich verändert hatte.
Draußen rüttelte der Wind mit unverminderter Heftigkeit an den Läden.
»Wird er durchkommen?« fragte Jacop nach einer Weile.
»Mhm«, machte Jaspar.
Jacop sah auf. »Was heißt mhm?«
»Er hat viel Blut verloren, aber die Wunden sind nicht ausgerissen und offenbar sind keine wichtigen Organe verletzt. Sonst wäre er längst tot. Jetzt hat ihn das Fieber gepackt. Wir können nur warten.«
»Ich hoffe, er wird aufwachen«, seufzte Richmodis. »Er kennt die Wahrheit.«
»Verlaß dich nicht drauf. Wir müssen selber dahinterkommen, was geschehen wird.« Jaspar strich sich über die Glatze. »Ich frage mich nur, wer noch alles in der Sache mit drinsteckt.«
Goddert knurrte im Schlaf und schmatzte ein paarmal mit den Lippen.
»Der Teufel«, meinte Richmodis.
»Wie phantasielos«, sagte Jaspar tadelnd. »Laß dir gefälligst was einfallen, was uns weiterhilft. Der Teufel steckt hinter jeder Schweinerei, das ist nichts Neues.«
»Nein, das meine ich nicht. Heute in dem Lagerhaus stand ich ihm gegenüber, ich meine, dieser Fremde – der Teufel war vielmehr in ihm, es war seltsam. Er flößte mir Angst ein, aber zugleich hatte ich das Gefühl einer starken Nähe, als bedürfe es einer winzigen Kleinigkeit, und er würde ein ganz anderer werden, das völlige Gegenteil. Und ich verspürte plötzlich den Drang –«
»Ja?« fragte Jaspar lauernd. »Was?«
»Lieber nicht. Am Ende läßt du mich noch exorzieren.«
»Du verspürtest den Drang, ihn zu berühren.«
Sie sah ihn überrascht an und errötete.
»Schon gut«, meinte Jaspar. »Christ und Antichrist, ein und derselbe. Weißt du, was die Faszination des Bösen ausmacht? Seine Tragik. Der Teufel ist ein gefallener Engel. Sieh dir Kuno an, er scheint sich entschlossen zu haben, der Hölle zu entkommen und wieder ein Engel zu werden. Es geht also auch umgekehrt. Und das läßt mich hoffen. Unsere Feinde stehen nicht nur gegen uns, sie stehen offenbar auch gegeneinander.«
»Aber es ist ein Unterschied, gegen Menschen zu kämpfen oder gegen den Teufel«, sagte Jacop. »Und ich bin nicht sicher, wen oder was ich auf dem Gerüst gesehen habe. Ich sagte ja, es kann ein Mensch gewesen sein, aber wie er mir nachkam, das war einfach zu schnell für einen Menschen. Er sprang wie eine Katze nach unten, und vielleicht war es ja auch ein Schweif, der hinter ihm herwehte.«
»Schluß damit!« Jaspar wurde zornig. »Ihr plappert
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